USA: Internship Generation

Tenneh Ogbemudia hat bereits vier Praktika bei verschiedenen New Yorker Medienfirmen hinter sich, darunter eines bei der Universal Music Group, der größten Plattenfirma der Welt. Doch ein Job ist für die 23-Jährige dabei nicht herausgesprungen. „Ich könnte mich auf 300 Stellenangebote bewerben und bekäme wahrscheinlich keine einzige Einladung zu einem Vorstellungsgespräch“, meint sie. „Versuche ich es dagegen bei Unternehmen, die Stellen für Praktikanten anbieten, habe ich die freie Auswahl.“

Protestierende US-Studenten

Ogbemudias Erfahrungen sind typisch für eine ganze Generation amerikanischer Absolventen, die derzeit versucht, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen — und dabei feststellen muss, dass gut dotierte Vollzeitjobs trotz des Aufschwungs in den USA dünn gesät sind. „Das Praktikum nach dem Studium ist zum Normalfall geworden“, meint Ross Perlin, der das Buch „Intern Nation: How to Earn Nothing and Learn Little in the Brave New Economy“ geschrieben hat. Das sei vor der Finanzkrise 2008/09, als die USA in die längste Rezession seit der Great Depression rutschten, anders gewesen.

Offenbar haben jetzt also auch die USA ihre „Generation Praktikum“. In Deutschland, wo der Begriff zum ersten Mal vor rund zehn Jahren auftauchte — 2006 landete er bei der Wahl zum „Wort des Jahres“ auf Platz zwei —, wurde sie inzwischen stillschweigend zu Grabe getragen. Stattdessen beherrscht der „Fachkräftemangel“ die Schlagzeilen. Was aber nicht heißt, dass es nicht nach wie vor viele junge Leute gibt, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln — ohne größere Chancen, in ihrem erlernten Beruf einen festen Job zu ergattern. Bei vielen zieht sich das Praktikum außerdem extrem in die Länge, weshalb manche bereits von der „Generation Dauerpraktikum“ sprechen.

Ein Grund, warum die Karriere vieler College-Absolventen gleich zu Beginn ins Stocken gerät, ist die nach wie vor labile Konjunktur in den USA. Zwar hat sich der Arbeitsmarkt von den Auswirkungen der Great Recession erholt, die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 6,6 Prozent. Unter jungen Leuten — auch solchen mit Hochschulabschluss — ist sie jedoch signifikant höher. Laut Arbeitsministerium lag die Arbeitslosenquote unter 20- bis 24-jährigen College-Absolventen zuletzt bei acht Prozent. Vor der Finanzkrise waren es lediglich fünf Prozent.

Doch es gibt noch andere Ursachen. So starten viele Millennials mit zu hohen Erwartungen ins Berufsleben. Sie träumen von einem Job, in dem sie sich selbst verwirklichen und die Welt aus den Angeln heben können — wie ihre großen Vorbilder Mark Zuckerberg, Larry Page und Sergey Brin. Doch einen Job bei Facebook, Google, YouTube oder einem anderen coolen Unternehmen können nur die allerwenigsten landen — zu groß ist die Konkurrenz. Der große Rest schlägt sich mit — oft sogar unbezahlten — Praktika durch. Immer in der Hoffnung, dass eines Tages das Schicksal in Form eines Jobangebots bei einer hochgehandelten High-Tech-, Medien- oder Fashion-Firma an die Tür klopft.

Doch diese Hoffnung erweist sich in den meisten Fällen als trügerisch. „Ich bin 26 und habe nicht wirklich das Gefühl, erwachsen zu sein“, meint eine junge Modedesignerin, die ihren Master-Abschluss an der renommierten Parsons The New School of Design in New York erworben hat und seit zwei Jahren ein Praktikum nach dem anderen absolviert. Ihre Situation beschreibt sie als „never-ending intern life“.

Andere haben sich mit ihrem Dasein als Dauerpraktikant abgefunden oder, wie der Brite Alec Dudson, aus der Not eine Tugend bzw. Geschäftsidee gemacht. Dudson startete im Oktober das Magazin „Intern“, nachdem er es aufgegeben hatte, über ein Praktikum an einen Job in der Verlagsbranche zu kommen. „Ich arbeitete 30 Stunden pro Woche für meinen Lebensunterhalt und dann noch mal 40 Stunden als Praktikant. Irgendwann war mir klar, dass ich es nie schaffen würde und dass es Zeit war, mein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.“

Für Dudson und andere steht fest, dass es längst eine „Praktikumskultur“ gibt, bei der es junge Leute für selbstverständlich halten, wenn sie für ihre Arbeit wenig oder gar kein Geld erhalten. Doch nicht alle wollen sich damit abfinden, wie Mitarbeiter zweiter oder dritter Klasse behandelt zu werden. In Blogs wie „Fashion Intern Problems“, „Anonymous Production Assistant‘s Blog“ oder „Intern-Anonymous“ machen sie ihrem Frust und ihrer aufgestauten Wut Luft. „Ich ackerte 32 Stunden pro Woche und wurde behandelt wie ein Knecht“, schreibt einer. „Als ich damit drohte, die Öffentlichkeit zu informieren, wurde ich gefeuert.“

Inzwischen wächst der Widerstand gegen die ausbeuterischen Methoden. Inspiriert von der „Occupy Wall Street“-Bewegung gründeten Betroffene die „Intern Labor Rights“-Gruppe, die mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf die Nöte der Praktikanten aufmerksam macht. Unternehmen wie Warner Music Group und Elite Model Management wurden bereits von ehemaligen Praktikanten, die sich auf den Fair Labor Standards Act berufen, verklagt.

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