Neben staatlichen und privaten Hochschulen gibt es in Frankreich die Grandes écoles. Um dort zu studieren, muss man zuvor viele Hürden überwinden. Eine von ihnen ist die berühmte ENA, die reformiert wurde und jetzt INSP heißt.

ENA/INSP

Frankreich: Wo die Elite studiert

Deutsche kennen das französische Bildungssystem meist nur so un­gefähr. Vom Baccalauréat, dem fran­zösischen Abitur, haben viele schon mal was gehört. Davon, dass Bacca­lauréat (kurz Bac) nicht gleich Bac­calauréat ist, jedoch eher weniger. Je nachdem, an welchem Gymnasium es abgelegt wird, hat es einen bes­seren oder schlechteren Ruf. Jeden­falls berechtigt es zum Studium an einer der staatlichen französischen Universitäten — die berühmteste ist die Sorbonne in Paris —, an denen es keinen Numerus clausus gibt.

Wer jedoch an einer der ebenfalls staatlichen Grandes écoles studieren möchte, kommt allein mit dem Bac nicht weit. Denn die haben vor dem Studium weitere Hürden aufgebaut. Eine davon ist der Concours, ein Aus­wahlverfahren.

Zum Concours wird in der Regel nur zugelassen, wer zuvor einen zwei- bis vierjährigen Vorbereitungskurs, die Classe préparatoire aux Grandes écoles, absolviert hat. Auch die Clas­ses prépas haben einen unterschied­lichen Ruf, je nachdem, an welchem Gymnasium sie stattfinden.

Hat man den Vorbereitungskurs hin­ter sich gebracht, scheitert jedoch im Concours, kann man zum Trost an einer staatlichen Uni gleich im drit­ten Semester einsteigen, die beiden ersten werden einem sozusagen ge­schenkt.

Hat es mit dem Bac, der Classe prépa und dem Concours geklappt, steht dem Studium an einer Grande école nichts mehr im Wege. Es sind Elite­hochschulen, an denen die Ausbil­dung meist drei Jahre dauert. Ihre Ab­solventen findet man überall in der französischen Wirtschaft, in den Mi­nisterien und Behörden.

Eine von ihnen ist die berühmte ENA, die Ecole nationale d'administration, die allerdings seit Anfang dieses Jah­res INSP, L’Institut national du ser­vice public, heißt. Sie gilt als die wich­tigste politische Kaderschmiede der Republik und hat vier Staatspräsiden­ten, unter anderem François Hollande und Emmanuel Macron, sowie meh­rere Premierminister hervorgebracht.

Macron, der sich gern als Reformer sieht, versprach bereits 2019 die Ab­schaffung der ENA, da sie nicht mehr zeitgemäß sei. Schon Nicolas Sarkozy, einer seiner Vorgänger, wollte die ENA reformieren. Präsident François Mit­terrand hatte sie anlässlich der De­zentralisierung des Staates in den neunziger Jahren von Paris nach Straß­burg verlegen lassen.

Was hat sich durch Macrons Reform außer dem Namen geändert? Zum ei­nen haben die Besten eines Jahr­gangs nicht mehr wie bisher automa­tisch ein Anrecht auf eine Spitzenposition in der Verwaltung. Stattdes­sen müssen sie sich erst in der Praxis bewähren, was zuvor nicht der Fall war. Das habe oft dazu geführt, dass mancher 25-Jährige auf einem hohen Posten saß, „ohne jemals richtig ge­arbeitet“ zu haben, wie ein Student des INSP selbstkritisch meint.

Obwohl die Grandes écoles eigent­lich ein meritorisches Ausbildungs­system sein sollen, bei dem allein die Leistung zählt, stammen ihre Studen­tinnen und Studenten weit überwie­gend aus der französischen Elite. Der Anteil der Arbeiterkinder lag bisher unter fünf Prozent. „Das sind geschlos­sene Kreise, die sich selbst reprodu­zieren“, meint der Journalist Vincent Jauvert, der sich seit Jahren mit der französischen Elite befasst.

Dem soll jetzt unter anderem mit ei­nem Stipendium und einem speziel­len Vorbereitungskurs entgegenge­wirkt werden, die sich nicht an die Interessenten aus den üblichen gut­situierten Kreisen richten. Ob das al­les nur Kosmetik ist oder nicht, dürfte sich erst später zeigen. Macron ver­sprach einst eine „Revolution“, als er die Reform anstieß. Für ihn gehört sie dazu, den französischen Staat zu „ent­stauben“. Vielleicht müsste die INSP dazu abgeschafft werden, wovon al­lerdings nicht mehr die Rede ist.