Seit Monaten finden an amerikanischen Hochschulen Veranstaltungen auf dem Campus statt. Ansteckungen sollen durch Screening ausgeschlossen werden.

Corona-Maßnahmen

USA: Screening

Österreich ist in Sachen Corona schneller als Deutschland. Schon seit Februar hat dort der Einzelhandel wieder geöffnet. Sogar „körpernahe Dienstleistungen“ wie das Haareschneiden beim Friseur sind erlaubt — allerdings müssen die Kunden vorher einen Schnelltest bestehen. Nach Ostern öffnen auch die österreichischen Hochschulen nach monatelangem Lockdown wieder ihre Pforten.

Allerdings gilt auch dort: Zugang nur nach negativem Testergebnis. Finanziert werden die Schnelltests von der Regierung. Es bleibt jeder Hochschule überlassen, welche Veranstaltungen vor Ort stattfinden und welche weiterhin per Zoom übertragen werden. Von Massenvorlesungen in riesigen Hörsälen rät Bildungsminister Heinz Faßmann, einst Vizerektor der Universität Wien, allerdings ab. Für die Dozenten ist das Umschalten von Online auf Präsenz eine Herausforderung, weil das Semester in Österreich bereits Anfang März begonnen hat.

An den meisten deutschen Hochschulen wird das Sommersemester das dritte Digitalsemester sein. Einige werden für kleinere Veranstaltungen und unter Sicherheitsvorkehrungen Studenten vor Ort zulassen. So will die Uni Magdeburg ein Testzentrum einrichten, in dem täglich 150 bis 200 Schnelltests für Studenten und Personal durchgeführt werden können. Die niedrige Zahl belegt, dass nur in Ausnahmefällen auf dem Campus unterrichtet wird. Die Rede ist von Veranstaltungen, die sich nicht in den digitalen Raum verschieben lassen — etwa praktische Sportübungen, die Arbeit in kleineren Laboren oder Teamarbeit. Auch andere Universitäten werden im Sommersemester an den Campus gebundene Veranstaltungen, deren Verschieben zu längeren Studienverläufen führen würde, mithilfe von Schnelltests möglich machen.

Was in Europa jetzt mit der behutsamen Öffnung der Unis anfängt, wird in den USA bereits seit Semesterbeginn im letzten Herbst praktiziert. Colleges und Universities haben dort seitdem durchgängig ihre Pforten offengehalten. Um Infektionen auszuschließen wurden allerdings keine Schnelltests durchgeführt, stattdessen setzte man auf unterschiedliche Screening-Maßnahmen. So hat die University of Idaho an den Eingängen Temperaturmessstationen installiert, die an die Metalldetektoren am Flughafen erinnern. Wird beim Durchgehen eine ungewöhnlich hohe Körpertemperatur festgestellt, ist ein Corona-Test fällig. Auch viele andere US-Hochschulen messen regelmäßig die Körpertemperatur der Studentinnen und Studenten.

Wieder andere dortige Hochschulen verlangen, dass man ein Gerät trägt, das die Herzfrequenz oder die Körpertemperatur misst. Weit verbreitet ist die App CampusClear. Mit ihr macht man täglich ein „Self Screening“, man untersucht sich also selbst auf mögliche Covid-19-Symptome. Sind keine vorhanden, gibt die App grünes Licht für den Besuch des Campus. Im Falle einer Infektion hilft die App außerdem bei der Kontaktverfolgung.

Alle diese Methoden haben allerdings ein Problem: Sie sind sehr ungenau, weil geschätzte 40 Prozent der coronapositiven Menschen überhaupt keine Symptome zeigen, weshalb sie weder von Temperaturscannern noch von anderen Messgeräten entdeckt werden können. Kritiker halten deshalb nicht viel vom Corona-Screening an den US-Hochschulen. Es würde Sicherheit vorgaukeln, obwohl sie objektiv nicht vorläge. An der University of Idaho wurden in den vergangenen Monaten denn auch bei ledglich zehn Personen erhöhte Temperatur festgestellt — bei mehr als 9.000 Studenten, die regelmäßig auf dem Campus sind. Eine auffallend geringe und damit zweifelhafte Zahl.

Die Kritiker dürften Recht haben: Laut einer Analyse der „New York Times“ gab es seit Beginn der Pandemie vor einem Jahr 530.000 Corona-Infektionen an amerikanischen Colleges und Universities. Allein seit Anfang dieses Jahres wurden mehr als 120.000 Studenten oder Dozenten positiv auf das Virus getestet. Allerdings sind nur rund hundert Personen aus dem Hochschulbereich im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gestorben.

Dass die amerikanischen Hochschulen die umstrittenen Screening-Methoden trotz deren Mängeln anwenden, liegt zum einen an den Kosten: Regelmäßige, also tägliche Schnelltests sind viel teurer als ein Temperaturmessgerät. Zudem wäre es ein kaum zu bewältigender logistischer Kraftakt, jeden Tag tausende Menschen einem Schnelltest zu unterziehen. Allerdings: Auch Schnelltests bieten bekanntlich keine absolute Sicherheit vor dem Virus.

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