Berufsreport IT

Offene Türen, rote Teppiche

Die Digitalisierung lässt — quer durch alle Branchen — die Nachfrage nach IT-Fachkräften rapide steigen. Viele Positionen können nicht besetzt werden.

Auf der Hannover Messe, der wichtigsten Industrieschau der Welt, konnte man in diesem Frühjahr einen Eindruck davon bekommen, wohin die Reise in Sachen Industrie 4.0 geht. Verschiedene Unternehmen führten vor, wie die „Factory of the Future“ aussehen wird. So zeigte der Antriebs- und Steuerungstechnikhersteller Bosch-Rexroth eine vollautomatisierte Fertigungshalle, bei der alle Maschinen frei beweglich sind und sich — je nachdem, welcher Fertigungsauftrag gerade ansteht — selbst konfigurieren können. Diese vernetzte, autonome Produktionsanlage bestellt selbständig Vorprodukte und verarbeitet sie, führt die Qualitätskontrolle durch und liefert das fertige Produkt aus. Und: Die Anlage lernt ständig hinzu — anhand der während der Produktion gesammelten Daten.

Das vielleicht Erstaunlichste an solchen vollautomatisierten Fertigungssystemen: Gibt ein Kunde über einen Webkonfigurator einen individuellen Auftrag ein, kann sich die Anlage autonom umprogrammieren, um dieses Unikat herzustellen — unter Produktionsexperten wird auch von „Losgröße 1“ gesprochen. Die aufwändige manuelle Rekonfiguration durch den Menschen entfällt. Die Konsequenz: In der Fabrik der Zukunft wird die Produktion von Einzelstücken fast so preiswert sein wie Massenfertigung. Allerdings wird wohl noch ein Jahrzehnt verstreichen, bevor solche selbständig agierenden Herstellungsanlagen fehlerfrei funktionieren und sie es preislich mit der Fertigung in Niedriglohnländern, etwa in Ostasien, aufnehmen können.

1&1 Drillisch

Daten, Ideen, Preise

1&1 Drillisch ist Teil der United Internet Gruppe. Bewerbern werden zahlreiche Einstiegsmöglichkeiten geboten, unter anderem im Yield Management. Philipp Kurz, der den Bereich leitet, erläutert, worum es dabei geht.

Sie sind Head of Yield Management. Was bedeutet das genau?

Philipp Kurz

Kurz: Bei 1&1 Drillisch bedeutet es, speziellen Kundengruppen die besten Tarifangebote zu machen. Der Telekommunikationsmarkt ist sehr dynamisch. Da ist es ein Wettbewerbsvorteil, wenn man schnell mit attraktiven Preiskombinationen entsprechende Produktbündel bieten kann. Letztlich besteht die Aufgabe meines Bereichs darin, bei der Produktgestaltung ein optimales Pricing anzustreben und die Pricing-Prozesse dynamisch zu gestalten.

Wie lernt man so etwas?

Kurz: Ich selbst habe BWL mit dem Schwerpunkt International Business studiert und zuvor für eine Luftfahrtgesellschaft gearbeitet, wo ich diesen Bereich verantwortet habe.

Telefonprovider wie Ihr Unternehmen haben oft mehrere Telefonmarken.

Kurz: 1&1 Drillisch bietet neben der Kernmarke 1&1 weitere Marken wie yourfone und PremiumSIM. Über unterschiedliche Vertriebskanäle erreichen wir verschiedene Kundengruppen. Dabei geht es auch darum, die Preise anzupassen.

Ist dieses Geschäft nicht sehr datengetrieben? Spielt also Big Data eine große Rolle?

Kurz: Auf jeden Fall, deswegen arbeiten in meinem Team auch zwei Data Scientists.

Data Science ist ein noch relativ neuer Bereich an vielen Hochschulen.

Kurz: Ja, in letzter Zeit hat sich die Lage allerdings verbessert und es gibt jetzt zunehmend Hochschulen, die darauf zugeschnittene Studiengänge anbieten.

Wenn Sie Nachwuchskräfte suchen: Wer außer Data Scientists hat noch Chancen bei Ihnen?

Kurz: Da kommen einige in Betracht, etwa aus den Bereichen BWL, Wirtschaftsinformatik/Informatik über Mathematik/Statistik bis zu Wirtschaftsingenieurwesen. Erforderlich sind zudem großes Interesse an Datenverarbeitung und ein gutes Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge.

Das sind dann ja möglicherweise Leute mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten.

Kurz: Das ist auch gewünscht, da die Welt heute derart komplex geworden ist, dass mehrere komplementäre Fähigkeiten benötigt werden, um ihr so weit wie möglich gerecht zu werden.

Was ist die Hauptaufgabe der Mitarbeiter?

Kurz: Wir entwickeln Tools, die es erlauben — je nach der Zahlungsbereitschaft — ein für den Kunden optimales Tarifangebot zu erstellen. Die Tools werden Inhouse entwickelt, um unser Wissen zu erweitern und es zentral im Unternehmen zu halten. Es geht in erster Linie um komplexe Preismodelle, die auf einer ganzen Reihe von Produktparametern aufbauen. Dies ist die zentrale Aufgabe der Data Scientists. Ein Pricing Analyst übernimmt dann die Interpretation der Ergebnisse und führt sie in die Angebotspolitik ein.

Es ist also auch Kreativität erforderlich?

Kurz: Unbedingt sogar, was sich auch in Unternehmergeist und dem Aufspüren von Marktchancen ausdrückt.

Worauf achten Sie noch?

Kurz: Für Data Scientists ist statistisches Verständnis sehr wichtig, ebenso das Programmieren in R oder Python. Um die Funktionsweise von statistischen Modellen zu verstehen, benötigt der Pricing Analyst ein umfassendes Verständnis betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge.

Einen Vorgeschmack auf die Fabriken der Zukunft bieten einige Leuchtturmprojekte in Deutschland. Etwa ein ABB-Fertigungswerk im baden-württembergischen Ladenburg, wo der Schweizer Industriekonzern Strom-Sicherungsautomaten herstellt. Die Geräte wurden zuvor in China produziert. Doch dank der Kostenvorteile durch Automatisierung, Digitalisierung und Robotik konnte ABB die Fertigung nach Europa zurückholen (Reshoring).

Bei der „Factory of the Future“ greifen verschiedene Digitalisierungstechnologien ineinander, die zum Teil noch gar nicht verfügbar sind oder noch in den Kinderschuhen stecken: künstliche Intelligenz, Machine Learning und Robotik, für die Datenübertragung in Echtzeit der 5G-Mobilfunk — dafür wurden in Deutschland gerade erst die Lizenzen versteigert — sowie das Cloud Computing, das seit einigen Jahren ein stürmisches Wachstum erlebt.

Doch nicht nur die Industrie befindet sich mitten in einem Umbruch, der zu Recht als vierte industrielle Revolution bezeichnet wird. Auch im Einzelhandel, bei Banken und Versicherungen, in der Energiewirtschaft, im Gesundheitswesen, in Logistik und Verkehr, in der Tourismusbranche und vielen anderen Sektoren sorgt die Digitalisierung für Umwälzungen historischen Ausmaßes: Alte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr oder müssen ganz neu gedacht werden, junge, dynamische Unternehmen werden zur Existenzbedrohung für etablierte Platzhirsche, die Anforderungen und Preisvorstellungen der Kunden ändern sich radikal, und selbst die öffentliche Verwaltung — eine der letzten Bastionen des analogen Zeitalters — steht unter erheblichem Digitalisierungsdruck.

Das hat natürlich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Boston Consulting Group kommt in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass allein in Deutschland in den kommenden Jahren bis zu 300.000 Industriearbeitsplätze durch fortgeschrittene Roboter, wie sie auf der Hannover Messe zu sehen waren, ersetzt werden könnten. Nicht einkalkuliert sind dabei die Jobs, die dafür an anderer Stelle entstehen werden. Und das sind vor allem IT-Arbeitsplätze.

Schon seit Jahren ist der Bedarf an IT-Fachkräften so hoch, dass zehntausende Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Doch wegen der quer durch alle Branchen fortschreitenden Digitalisierung hat sich die Nachfrage der Unternehmen nach entsprechenden Mitarbeitern zuletzt geradezu rasant beschleunigt. So fand der Branchenverband Bitkom heraus, dass es Ende letzten Jahres 82.000 offene Stellen für IT-Spezialisten gab. Ein steiler Anstieg um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und knapp 60 Prozent der von Bitkom befragten Unternehmen erwarten, dass sich der Mangel an IT-Fachleuten in Zukunft weiter zuspitzt.

amit wird dieser Personalengpass zum echten Problem für die Wirtschaft. Denn jeder Arbeitsplatz, der nicht besetzt werden kann, bedeutet einen Verlust an Wertschöpfung und Innovationskraft. Hinzu kommt: Weil der hohe Bedarf der Unternehmen dazu führt, dass die IT-Gehälter kräftig anziehen, können sich gerade kleine und mittelgroße Unternehmen die begehrten Fachkräfte kaum noch leisten — obwohl sie sie ebenfalls dringend benötigen.

Ein Weg aus der Misere wären mehr entsprechend qualifizierte junge Menschen. Doch dass hier der Druck aus dem Kessel genommen wird, ist nicht so schnell zu erwarten. Denn der Output der Hochschulen an Nachwuchs-ITlern ist noch immer zu gering — und das, obwohl die Zahl der Studierenden im letzten Wintersemester mit knapp 2,9 Millionen einen neuen Höchststand erreicht hat.

Im Fach Informatik immatrikulierten sich im Studienjahr 2018 rund 39.600 Studienanfänger an einer deutschen Hochschule — immerhin ein kleines Plus von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr. Allerdings war die Zahl der Informatik-Erstis ein Jahr zuvor um über vier Prozent geschrumpft. Und: Der Schwund während des Studiums ist hoch. Rund die Hälfte der Informatikstudenten bricht es ab, die meisten bereits im zweiten Semester.

Frauen sind in der IT-Ausbildung deutlich unterrepräsentiert: Im Wintersemester 2017/18 waren an deutschen Hochschulen 115.000 Studierende im Fach Informatik eingeschrieben, davon waren nur 21.100 weiblich. Noch nicht einmal jeder fünfte Informatik-Student ist also eine Frau. Das könnte damit zusammenhängen, dass ITlern fälschlicherweise noch immer ein Nerd-Image anhängt. Immer wieder wird deshalb vorgeschlagen, dass Informatik schon in der Grundschule unterrichtet werden sollte. Auf spielerische Weise natürlich, um bei Kindern — vor allem auch bei Mädchen — das Interesse an der Informationstechnologie zu wecken. Sicher keine schlechte Idee, allerdings wird die Wirtschaft die Früchte dieser Bildungspolitik erst in einem Jahrzehnt oder später ernten können.

Schon jetzt bemühen sich die Hochschulen, Frauen auf Karrierewege in der IT hinzuweisen. Das Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam etwa vergibt auch dieses Jahr wieder Reisestipendien an Studentinnen verschiedener IT-Studiengänge. Sie können im Herbst die „Grace Hopper Celebration“, die bekannteste IT-Konferenz für Frauen, in den USA besuchen. Die Veranstaltung ist nach einer amerikanischen Programmiererin benannt, die sich bereits in den fünfziger Jahren in der damals noch reinen Männerdomäne mit Erfolg behauptete und einige wichtige Akzente bei der Weiterentwicklung der Programmiermethoden setzte.

Talanx/HDI

Nach dem Bachelor direkt loslegen

HDI ist eine der bekanntesten deutschen Versicherungsmarken. Zu den Kunden des Unternehmens, das zum Talanx-Konzern gehört, zählen Privatpersonen ebenso wie große Industriefirmen. Sümeyra Sahin ist IT-Expertin — mit einem wichtigen Nebenjob.

Vielen ist nicht bewusst, dass große Versicherungen wie Talanx/HDI auch große IT-Abteilungen haben — mit entsprechendem Nachwuchsbedarf.

Sümeyra Sahin

Sahin: Das erlebe ich auch immer wieder. Dagegen hilft nur, an die Hochschulen zu gehen, um die Studierenden auf sich aufmerksam zu machen, und sich als Arbeitgeber auf möglichst vielen Jobmessen zu zeigen.

Wo Sie oft dabei sind. Wie kam es, dass Sie als Application Managerin, ein klassischer IT-Job, manchmal ins Personalfach wechseln?

Sahin: Es macht mir einfach Spaß, unser Unternehmen zu präsentieren und zu zeigen, wie viele berufliche Möglichkeiten es bei uns für ITler gibt. Außerdem bleibe ich dadurch mit dem Nachwuchs in Kontakt und erfahre, wie er so tickt.

Spricht man mit Versicherungsexperten, kommt das Gespräch früher oder später auch auf die Digitalisierung.

Sahin: Unsere Branche hat das Thema — zugegeben — erst relativ spät entdeckt. Umso mehr steht es heute im Mittelpunkt. Kommt man frisch von der Hochschule, bieten sich einem dadurch Chancen, da man mithelfen kann, etwas zu bewegen, und man nicht von vornherein festgelegt ist.

Ein Thema, das eng mit der Digitalisierung verbunden ist, sind agile Arbeitsmethoden.

Sahin: Auch bei uns geht es stark in diese Richtung. Ich habe mich deshalb als Scrum Master und Product Owner zertifizieren lassen — was zeigt, dass man bei HDI auch hier mit der Zeit geht.

Seit kurzem sind Sie auch noch ITIL Expert.

Sahin: Ja, eine wichtige IT-Weiterbildung, die ich vergangenes Jahr abgeschlossen habe. Von HDI wurde ich dabei nach Kräften unterstützt — wie überhaupt jeder, der das breite Angebot an Fortbildungsmöglichkeiten nutzt, viel Hilfe erhält.

Sie engagieren sich auch im Frauennetzwerk.

Sahin: Das ist mir besonders wichtig, denn es gibt immer noch viel zu wenige Frauen in der IT. Was zum Teil auch daran liegt, dass sie mit Widerständen und Vorurteilen zu kämpfen haben.

Bleibt denn bei all diesen Aktivitäten noch Zeit für die Karriereplanung?

Sahin: Unbedingt. Ich nehme gerade an einem Mentorenprogramm teil — ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Führungskraft.

Man hat das Gefühl, dass Sie genau wissen, was Sie wollen. War das schon immer so?

Sahin: Während meines Wirtschaftsinformatikstudiums arbeitete ich nebenbei in einem Call-Center und stieg dort bis zur Teamleiterin auf. Gegen Ende des Studiums kamen dann noch Praktika in zwei großen Unternehmen hinzu. Dadurch hatte ich ziemlich genaue Vorstellungen, was ich beruflich wollte — und was nicht.

Haben Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt, noch den Master zu machen?

Sahin: Ich habe tatsächlich eine Zeit lang mit mir gerungen, mich aber dann doch dagegen entschieden. Und zwar aus demselben Grund, weshalb nur ein Direkteinstieg für mich infrage kam: Ich wollte endlich loslegen und mich im Job beweisen.

Auch international wird einiges getan, um mehr Frauen für die IT-Branche zu gewinnen. So werden in diesem Jahr wieder in mehreren Städten weltweit die „Women in IT Awards“ für besondere Leistungen in der IT vergeben — darunter erstmals auch in Berlin, wo die Preise im August verliehen werden. In mehreren Kategorien — darunter „CIO of the year“, „Data Leader of the year“ und „Security Champion of the year“ — werden jeweils besonders erfolgreiche IT-Expertinnen geehrt.

Dass es zu wenige IT-Studenten und zu viele Abbrecher gibt, könnte auch am Studium liegen. In der Tat kann man die Studieninhalte — etwa in Informatik und verwandten Fächern — für zu theorielastig und damit zu praxisfern halten. Eine andere Form der akademischen IT-Ausbildung bietet daher die erst wenige Jahre alte Code University of Applied Sciences in Berlin, an der „Curiosity-driven Education“, also von Neugier getriebenes Lernen, praktiziert wird. Im Mittelpunkt steht die Erkenntnis, dass sich Wissen besonders gut einprägt, wenn es in Zusammenhang mit seiner praktischen Anwendung vermittelt wird. Die Studenten werden deshalb immer wieder in anspruchsvolle Projektarbeiten eingebunden.

Obwohl im Studium unter anderem Programmiersprachen erlernt werden, müssen die Studenten der Code University keine IT-Vorkenntnisse mitbringen. Ebenfalls ungewöhnlich: Die Studierenden beschäftigen sich mit Werken von Künstlern und Schriftstellern und diskutieren miteinander über philosophische und ethische Konzepte. Denn in Berlin sollen keine Nerds mit Tunnelblick herangezüchtet werden, sondern kreative Köpfe, die über den Tellerrand schauen und den Blick für das große Ganze haben.

Ähnlich ist es auch in der Wirtschaft. Dort werden häufig keine reinen „Coder“ gesucht, vielmehr IT-affine Nachwuchskräfte mit Querschnittwissen. Deshalb haben auch Hochschulabsolventen, die sowohl IT- als auch BWL-Kenntnisse mitbringen, hervorragende Chancen. Das können Informatiker mit BWL-Wissen, Wirtschaftler mit IT-Kenntnissen oder Wirtschaftsinformatiker sein.

Jeder, der sich für einen Berufseinstieg in der IT interessiert, sollte sich bereits im Studium Programmierkenntnisse zulegen. Die Hochschulen haben das längst erkannt und bieten entsprechende Kurse an. Die wichtigsten und am weitesten verbreiteten Programmiersprachen sind C++, Java, Python, C#, PHP, Javascript und Ruby. Auch Kenntnisse von Betriebssystemen wie Linux oder Android können nicht schaden.

Natürlich kann man sich das Programmieren auch selbst und mithilfe von entsprechenden Kursen im Netz beibringen. Plattformen, bei denen man — meist gegen eine Gebühr — das Coden lernen kann, sind beispielsweise Codecademy, Code School und Udemy. Bei Udacity sind die Kurse zu Themen wie App-Entwicklung oder Javascript kostenlos, wer aber eine Prüfung absolvieren und ein Zertifikat erwerben will, muss eine Gebühr zahlen.

Es wird noch einige Jahre dauern, bis Unternehmen in der Industrie und anderen Branchen die Früchte der Digitalisierung ernten können. Denn bis die Transformation abgeschlossen ist, sind meist noch hohe Investitionen nötig. Oft geht es auch nicht ohne Hilfe von außen. Die Nachfrage nach entsprechenden Beratungsleistungen ist deshalb hoch.

Kein Wunder also, dass die Consultingfirmen sehr gute Geschäfte machen — und das bereits seit Jahren. 2018 ist der Umsatz der Branche in Deutschland abermals auf einen neuen Rekordwert gestiegen, wie der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) ermittelte: Er kletterte um sieben Prozent auf 33,8 Mrd. Euro. Ein ähnliches Plus wird auch in diesem Jahr erwartet. Das Wachstum verdankt die Branche vor allem der Digitalisierung, denn der Beratungsbedarf in Sachen digitale Transformation ist ungebrochen hoch.

DATEV

Wie im Silicon Valley

Die DATEV eG ist das Softwarehaus und der IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren zumeist mittel­ständischer Unterneh­menskunden. Wer an der Digitalisierung be­triebswirtschaftlicher Prozesse im Mittelstand mitwirken will, ist jeder­zeit willkommen, sagt Stefan Scheller aus dem HR Department.

Stefan Scheller

Die wenigsten werden wissen, dass die DATEV eines der größ­ten Softwarehäuser Deutschlands und auch Europas ist.

Scheller: Ja, wir haben für 500.000 Kunden in ganz Deutschland über 200 Softwareprodukte zu Rechnungswe­sen, Personalwirtschaft, Kanzleiorga­nisation, Steuern und betriebswirt­schaftliche Beratung entwickelt, womit wir etwa eine Milliarde Euro Umsatz erzielen.

Heute steht nichts mehr still, schon gar nicht die IT.

Scheller: Auch wir befinden uns im Umbruch: Von On-Premises geht es in die Cloud-Welt. Wir machen aus un­serer bereichszentrierten Unterneh­mensorganisation eine cross-funktio­nale. Es ist die größte Umstellung in un­serer Firmengeschichte, die immerhin schon 1966 begann. Eine große Herausforderung.

Für die Sie vermutlich viel spezielles Wissen benötigen.

Scheller: Vor allem Know-how für die Entwicklung von cloud-native Anwen­dungen wie Spring Boot, Angular, Re­act, Ember, Vue.js, REST-APIs, Swag­ger, Java, TypeScript, HTML5 etc. Dabei sind wir für alle offen — vom klassischen Nerd über den Hackathon-Athleten und White Hat bis zu den ganz Mutigen, die immer Neues ausprobieren wollen.

Viele ITler haben ihre eigene Art zu arbeiten.

Scheller: Manche tun es nicht so gern im Büro, sondern lieber remote, weil sie da auf bessere Ideen kommen oder konzentrierter arbeiten können. Auch das ist bei uns möglich.

Wenn jemand aus Hamburg oder Berlin bei Ihnen arbeiten möchte, muss er oder sie also nicht zu Ih­nen nach Nürnberg umziehen? Mittlerweile verlangt sogar Apple, dass man zwei Tage der Woche im Büro ist.

Scheller: Jedes Unternehmen hand­habt es auf seine Weise. Wir schrei­ben niemandem vor, wo er arbeiten soll, solange es die Tätigkeit erlaubt. Es geht jedoch dann nicht, wenn bei­spielsweise Maschinen vor Ort be­dient werden müssen.

Zu New Work, das man oft bei Tech-Unternehmen und Start-ups findet, gehört unter anderem auch Cowor­king.

Scheller: Wenn heute neue Software entsteht, erfordert das viele Kompe­tenzen. Oft nur während kurzer Pha­sen, manchmal auch länger. Die Zu­sammensetzung der Teams ändert sich also kontinuierlich. Dafür eignet sich Coworking bestens. Wir bieten dafür sowohl interne Räumlichkeiten, in denen man sich spontan zusam­menfinden kann, als auch externe Coworking-Offices. Auf diese Weise haben die Mitarbeitenden maximale Flexibilität.

Man muss also nicht mehr ins Sili­con Valley, in Nürnberg geht’s auch.

Scheller: (lacht) So könnte man sa­gen.

Sie tun viel, um das Arbeiten bei Ih­nen so angenehm und effektiv wie möglich zu machen.

Scheller: Nicht nur das. Wir verste­hen uns — trotz unserer Größe — zu­dem als eine Art Familie, die sich ge­genseitig unterstützt und alle Heraus­forderungen gemeinsam anpackt. Nur so kommt man heute weiter — und bleibt konkurrenzfähig.

Die großen Beratungen suchen deshalb jede Menge Personal. Allein McKinsey will in diesem Jahr 500 Berater einstellen. Die ganze Branche sucht tausende junge sowie erfahrene Consultants, viele davon für IT- und Digitalisierungsthemen. Doch auch die Unternehmensberatungen, nach wie vor beliebt bei den Absolventen, spüren den Engpass auf dem Arbeitsmarkt. So kann in der Branche nach BDU-Angaben etwa jeder zehnte Arbeitsplatz nicht besetzt werden.

Der Mangel an IT-Fachkräften sorgt dafür, dass auch Bachelor-Absolventen sehr gute Chancen haben. So sucht die Consulting-Firma Accenture für ihre Traineeprogramme Bachelor- und Master-Absolventen. Auch wer eine Berufsausbildung mit IT-Schwerpunkt gemacht hat, kann sich bewerben. Trainees werden unter anderem für die Bereiche Business Analysis und Testing, Software Engineering, Digital Applied Intelligence sowie Qualitätssicherung und Testautomatisierung gesucht.

Auch in anderen Branchen und Unternehmen werden Hochschulabsolventen mit einem Informatikabschluss oder einem anderen Studium mit IT-Schwerpunkt mit offenen Armen empfangen. Entsprechende Traineeprogramm gibt es etwa bei der Hannover Rück und bei HDI. Auch der Allianz-Konzern sucht dringend Nachwuchs. Ähnliche Einstiegsprogramme für IT-Kräfte finden sich beispielsweise bei Rewe Digital, der Digitaltochter des Handelskonzerns, beim Werkstoffhersteller Covestro, der Deutschen Post und bei der Baumarktkette OBI.

Eine Branche, die insbesondere von der Digitalisierung profitiert, sind die Cloud-Computing-Anbieter. Denn immer mehr Unternehmen gehen dazu über, IT-Infrastruktur und Software nicht bei sich vorzuhalten, sondern sie von einem Cloud-Computing-Dienstleister über das Internet bereitstellen zu lassen. Laut einer aktuellen Studie nutzen weltweit neun von zehn Unternehmen die Cloud, die meisten davon in Kombination von Private und Public Cloud. Im vergangenen Jahr wurden weltweit über 270 Mrd. Dollar mit Cloud-Dienstleistungen umgesetzt, 2020 sollen es bereits 400 Mrd. Dollar sein und drei Jahre später mehr als 600 Mrd. Dollar. Der Markt wird von mehreren großen Anbietern beherrscht, allein Amazon und Microsoft erzielen fast die Hälfte aller Cloud-Umsätze.

Bei der Wahl eines Cloud-Anbieters spielen Datensicherheit und Datenschutz eine große Rolle. So käme kein deutsches Unternehmen auf die Idee, seine Daten einem chinesischen Anbieter wie Alibaba anzuvertrauen, weil das — Stichwort Wirtschaftsspionage — geradezu fahrlässig wäre. Wegen der hohen europäischen Datenschutzvorschriften haben europäische Cloud-Anbieter gute Wachstumsaussichten — in Deutschland sind das etwa SAP, die Telekom und der mittelständische Münchner IT-Dienstleister Cancom.

PPI

Offen und neugierig sein

IT war schon immer sein Ding. Nach seinem Bachelor- und Masterstudium an der Uni Hamburg ist Sascha Herrmann heute Senior Consultant bei der PPI AG. Das seit über 30 Jahren erfolgreiche Beratungs- und Softwarehaus mit 650 Mitarbeitern und neun Standorten zählt vor allem Banken und Versicherungen zu seinen Kunden.

Leidenschaftliche ITler haben oft schon früh in der Jugend losgelegt.

Herrmann: Das war bei mir auch nicht anders. Schon als Schüler habe ich Computer zerlegt und wieder zusammengebaut.

Sascha Herrmann

Dass IT genau Ihr Ding ist, war also bereits damals klar?

Herrmann: Auf jeden Fall.

Auch dass Sie IT studieren wollten?

Herrmann: Ja. Ich wählte den Bachelorstudiengang „Software-System-Entwicklung“ an der Universität Hamburg. Beim Masterstudium schwenkte ich dann allerdings auf IT-Mana-gement und Consulting um.

Wie kam das?

Herrmann: Ich wollte mir noch weitere Berufschancen erschließen und später mehr Verantwortung übernehmen. Außerdem reizte mich die Unternehmensberatung. Auch weil man sich da immer mit neuen Themen befasst und damit gewissermaßen stets am Puls der Zeit ist.

Die Entwicklung geht gerade bei der IT rasend schnell.

Herrmann: Was die Sache zusätzlich aufregend macht. Obwohl mein Studium nicht allzu lange zurückliegt, beschäftige ich mich heute oft mit Dingen, die da noch kein Thema waren.

Auch in Ihrem Spezialbereich, IT und Finanzwirtschaft, tut sich derzeit viel.

Herrmann: Ja, denken Sie nur an die neuen Bezahlmethoden, an FinTechs, an Robo-Beratung, an die Blockchain-Technologie oder an agile Arbeitstechniken wie Scrum. Da ist sehr viel in Bewegung geraten. Und als Consultant muss man das alles im Auge behalten.

Man merkt, dass Ihnen das sehr viel Spaß macht.

Herrmann: Neue Entwicklungen faszinierten mich schon immer. Man muss einfach für alles offen sein.

Sie haben bei PPI viel Kontakt mit dem Nachwuchs, sind Mentor und betreuen sogar Abschlussarbeiten. Haben Sie einen Tipp für diejenigen, die sich für den Beruf des IT-Beraters interessieren?

Herrmann: Denen würde ich sagen: Bleibt offen und neugierig und stellt euch den anstehenden Herausforderungen. Ansonsten gibt es keinen Königsweg. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Um glücklich im Beruf zu werden, muss man seine Talente erkennen und entwickeln. Und wenn nötig, auch mal die Richtung wechseln, wie ich es im Studium tat.

Wobei Ihnen die Programmiererfahrung heute helfen dürfte.

Herrmann: Unbedingt. Ich kann mich bei unseren Projekten meist schnell in Programmierthemen hineindenken, was natürlich ein großer Vorteil ist.

Noch ein paar Tipps?

Herrmann: Ich selbst habe eine Reihe von Praktika gemacht, was ich nur jedem empfehlen kann. Denn die Theorie an der Uni und die Anforderungen in der Praxis sind eben doch verschiedene Dinge. Deshalb ist es wichtig, auch für die spätere Berufsentscheidung, schnell Praxiserfahrung zu sammeln — als Praktikant oder auch als Werkstudent.

Und wie sind die Berufsaussichten?

Herrmann: Phantastisch. Die Digitalisierung schreitet in allen Branchen schnell voran, womit auch der Beratungsbedarf immer größer wird. Als IT-Experte muss man sich um seine Zukunft also keine Sorgen machen.

Die besten Vorschriften helfen jedoch wenig gegen Hacker, Datendiebe und Wirtschaftsspione. Deshalb spielt das Thema IT-Security eine immer wichtigere Rolle in der Wirtschaft, und der Bedarf der Unternehmen an entsprechend qualifizierten IT-Fachleuten ist hoch. Bewerber, die einen Studiengang für IT-Sicherheit absolviert oder im Studium entsprechende Schwerpunkte gesetzt haben, haben deshalb sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

Allerdings gibt es bislang nur eine Handvoll Fachhochschulen und Universitäten, die Studiengänge für IT-Security anbieten. Sehr engagiert auf diesem Gebiet ist die Uni Bochum. Ihr 2002 gegründetes Horst Görtz Institut für IT-Sicherheit ist das größte seiner Art hierzulande. 26 Professoren lehren und forschen dort zu diesem Thema, rund 1.200 Studenten absolvieren derzeit einen der vier angebotenen Studiengänge — einen Bachelor- und zwei Masterprogramme für IT-Sicherheit sowie den Fernstudiengang Applied IT-Security.

Weil die Bedrohung durch Hacker zunimmt und damit die Cyber-Sicherheit immer wichtiger wird, steigt der Bedarf an entsprechend spezialisierten Fachkräften stark. Was wiederum dazu führt, dass die Gehälter in diesem Bereich in den letzten Jahren kräftig angezogen haben, wie die Personalberatung Compensation Partner feststellt. Mittlerweile verdienen Experten für IT-Sicherheit im Durchschnitt 75.600 Euro pro Jahr — womit sie die bestbezahlten IT-Fachleute ohne Personalverantwortung sind. Auch andere IT-Tätigkeiten werden gut bezahlt. So bringen es SAP-Berater und IT-Berater im Schnitt auf knapp 73.000 Euro im Jahr. Während Führungskräfte im IT-Bereich im Schnitt 130.000 Euro verdienen.

ITler arbeiten häufig als Selbständige, also als Freelancer, und in der Regel ohne Angestellte. Von ihnen gibt es etwa 100.000 in Deutschland. Sie rechnen meist nach Stundensätzen ab, die nach Angaben des Bundesverbands für selbständige Wissensarbeit durchschnittlich 86 Euro betragen. Ein Achtel der IT-Freelancer bringt es sogar auf 120 Euro pro Stunde und mehr.

Der Berufseinstieg und eine Karriere in der IT sind nicht nur finanziell lukrativ, es gibt auch — je nach Branche, Unternehmensgröße und fachlicher Spezialisierung — sehr viele Werdegänge und Entwicklungsmöglichkeiten. Nicht zu vergessen: Da die Informationstechnologie permanent im Fluss ist, müssen IT-Fachleute ständig hinzulernen. Wer also eine anspruchsvolle, abwechslungsreiche und gut bezahlte Tätigkeit sucht, ist in der IT gut aufgehoben. Sicher ist auch: Die Jobsuche ist angesichts der großen Nachfrage relativ einfach. Und als ITler muss man sich um seine berufliche Zukunft keine Sorgen machen.