Berufsreport Wirtschaftsprüfung

Exklusiv und renommiert

Wirtschaftsprüfer üben sehr verantwortungsvolle Tätigkeiten aus.
Sie sind gefragt, unentbehrlich und verdienen überdurchschnittlich gut.

Wirtschaftsprüfer — was machen die eigentlich? Die Wirtschaft prüfen? Wie geht denn das? Fragen, die sich mancher stellt, der nichts mit diesem Berufszweig zu tun hat. Wer jedoch BWL studiert, wird es meist — zumindest ungefähr — wissen: Wirtschaftsprüfer nehmen die Abschlüsse von Unternehmen unter die Lupe. Wenn alles in Ordnung ist, also den gesetzlichen Vorschriften entspricht, bestätigen sie es mit ihrem Testat.

Wesentlich detaillierter wird es in § 2 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) beschrieben: „Wirtschaftsprüfer haben die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere die von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen.“ Und weiter: „Wirtschaftsprüfer sind befugt, ihre Auftraggeber in steuerlichen Angelegenheiten nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften zu beraten und zu vertreten. Wirtschaftsprüfer sind weiter befugt, unter Berufung auf ihren Berufseid auf den Gebieten der wirtschaftlichen Betriebsführung als Sachverständige aufzutreten, in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und fremde Interessen zu wahren, sowie zur treuhänderischen Verwaltung.“

Das klingt nach einigem mehr, als man anfangs gedacht haben mag. In der Tat ist es ein beachtliches Tätigkeitsfeld, das sich da auftut. Denn die Prüfung von Jahresabschlüssen ist offenbar nur ein Teil der Arbeit des Wirtschaftsprüfers. Hinzu können Revisionen, Wirtschaftlichkeits- und Kreditwürdigkeitsprüfungen kommen, zudem Funktionsprüfungen, etwa beim Risikomanagement oder bei internen Kontrollsystemen, die Bewertung von Unternehmen sowie die steuerliche, juristische und sogar betriebswirtschaftliche Beratung, die verschiedenste Themen umfassen kann. Außerdem kann der Wirtschaftsprüfer als treuhänderischer Vermögensverwalter fungieren und wird bei strittigen Fällen von Gerichten oder den Parteien als Gutachter hinzugezogen.

Diese beeindruckende Palette an Tätigkeiten spiegelt sich auch in den Leistungsangeboten der großen WP-Gesellschaften, insbesondere der „Big Four“ Deloitte, EY, KPMG und PwC, aber auch vieler großer mittelständischer Gesellschaften wider. Wobei oft noch Experten aus vielen anderen Bereichen eingesetzt werden, was vom Informatiker bis zum Finanzfachmann und zum Juristen reichen kann.

Gerade weil der Wirtschaftsprüferberuf und die damit verbundenen Tätigkeiten nicht so bekannt sind wie andere Berufe, die nach dem Studium in Betracht kommen, sollte man sich gut über ihn informieren, bevor man entscheidet, ob er das Richtige für einen ist. Eine Reihe von Studenten und Absolventen beantwortet diese Frage jedes Jahr mit „ja“. Ungefähr 80 Prozent von ihnen studieren oder studierten BWL, oft mit Schwerpunkten wie Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung, Controlling, Finanzen oder Steuern. Ungefähr fünf Prozent sind Volkswirte und weitere fünf Prozent Juristen. Weil die WPO, das Regelwerk dieses Berufsstands, kein bestimmtes Studienfach vorschreibt, können auch Absolventen anderer Fächer, etwa Informatiker, Historiker oder Philologen, die Zulassung zum WP-Examen beantragen — vorausgesetzt, die anderen Kriterien sind erfüllt.

Grant Thornton

Ein breites Tätigkeitsfeld

Grant Thornton ist eine internationale Wirtschaftsprü­fungs- und Steuerberatungsgesellschaft, die zu den zehn größten in Deutschland zählt. Gesucht werden nicht nur künftige Wirtschaftsprüfer wie Philipp Seyrling oder Steuerberater, sondern auch Expertinnen wie Anna Vogt, die sich beispielsweise auf Environmental, Social and Governance (ESG) speziali­siert hat.

Philipp Seyrling und Anna Vogt

Frau Vogt, wer bei einer Wirtschafts­prüfungs- und Steuerberatungsge­sellschaft einsteigt, muss offenbar weder Wirtschaftsprüfer noch Steu­erberater werden.

Vogt: Das stimmt, ich bin ein gutes Beispiel dafür.

Dass es hier noch andere Tätigkei­ten gibt, dürften nicht alle wissen.

Vogt: Das kann gut sein, was jedoch schade wäre. Denn die Arbeitsmög­lichkeiten sind groß.

Womit befassen Sie sich bei Grant Thornton?

Vogt: Mein Aufgabengebiet ist die Prü­fung von Nachhaltigkeitsberichten und die Beratung im Bereich Environmen­tal, Social and Governance, kurz ESG, der immer wichtiger wird.

Das hat mit Nachhaltigkeit zu tun. Wie kamen Sie auf das Thema?

Vogt: Nachhaltigkeit hat mich bereits früh interessiert und war dann auch ein Schwerpunkt in meinem Bachelorstudi­um in Bochum und in meinem Master­studium in Edinburgh. Auch meine Ab­schlussarbeiten drehten sich darum. Gerade in der Wirtschaft muss Nachhal­tigkeit vorangetrieben werden. Es gibt also eine Menge zu tun. Das ist auch der Grund, warum ich bei Grant Thornton im Bereich Audit & Assurance am The­ma ESG arbeite. Hier kann ich am Wan­del von Unternehmen mitwirken. Und dem Thema durch die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten mehr Glaub­würdigkeit verschaffen.

Während Sie sich, Herr Seyrling, den Wirtschaftsprüfer als Berufsziel ge­setzt haben.

Seyrling: Ja, ich habe auch schon zwei Prüfungsklausuren hinter mir.

Haben Sie zuvor den Steuerberater gemacht?

Seyrling: Nein, ich habe mich gleich für den Voll-WP entschieden ...

... wie es auch genannt wird, wenn man direkt den Wirtschaftsprüfer an­steuert. Interessiert Sie Steuerbera­tung nicht so sehr?

Seyrling: Steuerrecht ist ja auch Be­standteil der WP-Ausbildung und wird auch im WP-Examen geprüft. Mein Interesse gilt jedoch in erster Linie der Wirtschaftsprüfung und der Prüfung und prüfungsnahen Beratung unse­rer Mandanten.

Um im WP-Examen keine Steuer­klausuren schreiben zu müssen, machen viele zuvor den Steuerbe­rater.

Seyrling: Nach meiner Beobachtung gehen immer weniger diesen Umweg. Das hat sicher damit zu tun, dass man heute durch die Modularisierung der Prüfung bis zu einem gewissen Grad selbst bestimmen kann, wann man die einzelnen Prüfungsleistungen ab­legen will. Was einiges an Stress aus dem WP-Examen nimmt.

Vielleicht trägt das auch zur Attrak­tivität dieses Berufs bei, da die Hür­de nicht mehr so hoch ist.

Seyrling: Das wäre wünschenswert, da es ein hochinteressanter Beruf ist. Nicht zuletzt, weil man durch ihn tie­fe Einblicke in die Wirtschaft erlangt.

Frau Vogt, könnte Sie das nicht auch reizen, noch irgendwann den Wirt­schaftsprüfer anzustreben?

Vogt: Ich will mir das noch offen hal­ten, es also nicht ausschließen.

Herr Seyrling, wie kamen Sie darauf, Wirtschaftsprüfer zu werden?

Seyrling: Es geschah auf Umwegen. Ich hatte zuerst Wirtschaftsingeni­eurwesen mit Schwerpunkt Maschi­nenbau an der TU Darmstadt studiert, stellte aber fest, dass es mir nicht so lag. Freunde brachten mich dann auf die Idee, ein Praktikum bei einer WP-Gesellschaft zu machen. Da entdeckte ich, dass das der Beruf für mich ist.

Zumindest hat beides viel mit Zah­len zu tun.

Seyrling: Stimmt, und zahlenaffin bin ich auf jeden Fall.

Wie ging es dann mit dem Studium weiter?

Seyrling: Ich wechselte an die Uni Frankfurt und machte dort meinen BWL-Bachelor.

Wie sieht der Berufsalltag von Ihnen beiden aus? Sind Sie viel im Home­office?

Vogt: Die Möglichkeit besteht immer. Ich gehe jedoch sehr gern ins Büro, weil mir sonst der soziale Kontakt mit den Kol­leginnen und Kollegen fehlt.

Seyrling: Bei mir ist es ähnlich. Unsere Arbeit ist viel Teamwork, da ist persönli­che Anwesenheit oft besser. Die Kom­munikation ist einfacher und direk­ter. Zudem lassen sich Fragen schnel­ler klären.

Wird denn KI bereits bei Ihnen dis­kutiert?

Seyrling: Durchaus, aber eher infor­mell. Sie hat noch keinen Einfluss auf unsere Arbeit. Ich kann mir jedoch vor­stellen, dass sie einem eines Tages einiges an Routinearbeit abnimmt.

Vogt: Das sehe ich auch so. Jedenfalls habe ich keine Sorge, dass sie meine Arbeit übernimmt und mich arbeits­los macht. Ich denke, wir Menschen werden noch längere Zeit gebraucht.

Wie ist die betriebliche Ausbildung bei Grant Thornton?

Seyrling: Sehr gut. Es wird ein vielfäl­tiges Portfolio an Fort- und Weiterbil­dungen geboten. Die Berufsexamen werden zeitlich und finanziell unter­stützt. Im Bereich Wirtschaftsprüfung gibt es die Audit Academy. Sie bietet ein großes Spektrum an Themen und wird höchsten Ansprüchen gerecht.

Die meisten, die sich als Prüfungsassistent bei einer WP-Gesellschaft bewerben — es ist gewissermaßen die Lehrzeit —, haben zuvor ein Praktikum bei dieser oder einer anderen Gesellschaft absolviert. Denn es gibt keinen besseren Weg herauszufinden, was es mit diesem Beruf auf sich hat. Was macht ein Wirtschaftsprüfer eigentlich genau? Wie sieht sein Tagesablauf aus? Und vor allem: Wie wird man überhaupt WP?

Eins lässt sich gleich sagen: Es ist ein sehr exklusiver Beruf. Wirtschaftsprüfer trifft man nicht alle Tage. Kein Wunder, gibt es in Deutschland doch nur 12.000 von ihnen. Im Vergleich zu den Steuerberatern, die es zum 1.1.2020 auf rund 88.000 brachten, oder zu den 166.000 Anwälten ist es in der Tat eine geringe Zahl. Und während die Zahl der Steuerberater und Anwälte in der Regel steigt, geht sie bei den Wirtschaftsprüfern tendenziell eher zurück oder stagniert. Nicht etwa weil ihnen die Arbeit ausgeht. Ganz im Gegenteil wird sie angesichts der immer komplexeren Wirtschaft immer größer.

Auch in Krisenzeiten wie jetzt haben Wirtschaftsprüfer meist nicht weniger zu tun, oft sogar mehr. Es hängt ganz von der Art der Krise ab. Welches Unheil Corona in der Wirtschaft letztlich anrichten wird, ist derzeit noch nicht klar. Abzusehen ist jedoch bereits, dass es zu Restrukturierungen, Übernahmen und Finanzierungen kommen wird, was Wirtschaftsprüfern meist zusätzliche Aufträge beschert. Etwa wenn es um Beratungen und die Bewertung von Unternehmen und ihren Zukunftsaussichten geht.

Wirtschaftsprüfer haben nicht nur einen exklusiven Beruf, sie genießen — ähnlich wie Notare und Richter — auch hohes Ansehen. Zudem umgibt sie die Aura des unbestechlichen und objektiven Aufpassers und Kontrolleurs, dessen unbestechlichen Augen nichts entgeht und dem keiner ein X für ein U vormachen kann. So wie man es von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Ärzten, Apothekern, Architekten und Notaren her kennt, unterliegen auch sie einem strengen Berufskodex. Und wie bei diesen anderen freien Berufen wird die Einhaltung der Standesregeln von Berufskammern, in diesem Fall von den Wirtschaftsprüferkammern, überwacht.

Baker Tilly

Live. Work. Learn. Succeed.

Die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprü­fungsgesellschaft Baker Tilly ist in 145 Ländern präsent. In Deutschland gehört sie zu den zehn größten. Florian Corzilius ist Director des Competence Center Transactions in Düsseldorf.

Florian Corzilius

Den Bachelor haben Sie in Volks­wirtschaftslehre gemacht?

Corzilius: Ja, an der Uni Münster.

Wie kam es dazu, dass Sie heute in erster Linie betriebswirtschaftlich arbeiten?

Corzilius: Ich wollte mein Wissen nach dem Bachelor sowohl in Richtung BWL als auch in Richtung Management er­weitern und habe danach noch ein MBA-Studium absolviert.

An einer deutschen Hochschule?

Corzilius: Nein, ich wollte dieses Stu­dium unbedingt im Ausland machen und ging dafür an die Pepperdine Uni­versity in Malibu/Kalifornien.

Das hört sich nach viel Sonne und Spaß an.

Corzilius: (lacht) Das gehörte auch da­zu. Gleichzeitig war es eine sehr in­tensive und fordernde Ausbildung.

Und Sie haben wahrscheinlich viel von der amerikanischen Gesell­schaft mitbekommen.

Corzilius: Ja, das ist der Vorteil eines längeren Auslandsstudiums, unabhän­gig davon, wo es stattfindet: Man dringt tiefer in die Kultur des Landes ein.

Jetzt sind Sie im Bereich Transac­tions, also Unternehmensübernah­men und Beteiligungen, tätig. Wie kam es dazu?

Corzilius: Im MBA-Studium war mein Schwerpunkt Finance, womit ich da­mals schon Interesse an dem entwi­ckelte, was ich heute mache.

Bei Firmenübernahmen und Beteili­gungen werden die meisten eher an Investmentbanking denken.

Corzilius: Investmentbanken steuern in der Regel den gesamten Prozess, oft von der Suche nach geeigneten Unternehmen über die Finanzierung bis hin zum Abschluss der Übernahme. Wir arbeiten mit Investmentbanken, Private-Equity-Firmen und Industrieunternehmen zusammen und wer­den von ihnen beispielsweise mit der Financial Due Diligence beauftragt. Wir untersuchen dann die finanziellen Verhältnisse des Übernahme- oder Beteiligungsobjektes.

Dazu muss man kein Wirtschafts­prüfer sein?

Corzilius: Nein, ich selbst bin kein Wirt­schaftsprüfer, sondern CFA, das steht für Chartered Financial Analyst. Aller­dings arbeiten hier auch Wirtschafts­prüfer und bringen ihr Know-how und ihre Erfahrungen ein. Eine WP-Aus­bildung schadet also nicht, wenn man in Transactions arbeiten möchte, sie wird gern gesehen.

Das zeigt auch, dass einem mit ei­ner WP-Ausbildung viele Tätigkei­ten offenstehen.

Corzilius: Auf jeden Fall. Einfach weil es eine umfassende Ausbildung ist.

Angenommen, jemand ist wie Sie an Transactions interessiert. Welche Studienschwerpunkte bieten sich da vor allem an?

Corzilius: Rechnungslegung und Cor­porate Finance. Wichtig sind außer­dem analytisches Denken, Teamfähig­keit sowie gute Englischkenntnisse.

Muss es denn ein Masterabschluss sein?

Corzilius: Ein Bachelorstudium mit diesen Schwerpunkten ist eine gute Grundlage. Wenn noch praktische Er­fahrungen und ein Auslandssemester hinzukommen, umso besser.

Manche möchten später berufsbe­gleitend einen Master machen.

Corzilius: Das ist auch bei uns mög­lich. Für Weiterbildungen sind wir im­mer offen.

Wahrscheinlich werden Einsteiger bei Ihnen auch speziell ausgebildet.

Corzilius: Sehr intensiv sogar. Das findet an der Baker Tilly Academy statt, die die persönliche und be­rufliche Entwicklung unserer Mitar­beiter fördert. Wir haben das auf die Formel gebracht: „Live. Work. Learn. Succeed.“

Als Wirtschaftsprüfer muss man einen Berufseid leisten und unterliegt beruflichen Pflichten wie Eigenverantwortung, Gewissenhaftigkeit, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit, Unbefangenheit und Verschwiegenheit. Pflichten, wie man sie zum Teil auch von Notaren, Richtern und Beamten kennt.

Diese Kriterien sollten sich auch in der Persönlichkeit des Wirtschaftsprüfers widerspiegeln. So erwartet man sorgfältiges sowie korrektes Arbeiten und Verhalten von ihm. Gute Selbstorganisation, eigenständiges Denken sowie Stressresistenz gehören ebenfalls dazu. Nicht zuletzt auch „eine kritische Grundhaltung“, wie ein erfahrener Wirtschaftsprüfer es einmal formulierte. Alles Eigenschaften, die auch zum hohen Ansehen dieses Berufes beitragen.

Ebenso wie Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare und Ärzte betreiben auch WPs kein Gewerbe, sondern üben einen freien Beruf aus, der, wie in § 1 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes zu lesen ist, „auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt hat“.

Auch der Verdienst kann sich sehen lassen. Wer als Prüfungsassistent am Anfang seiner Laufbahn steht, kann zwischen 38.000 und 45.000 Euro erzielen. Wer ein Traineeprogramm absolviert, kann mit etwa 40.000 Euro rechnen. Bis zum WP-Examen kann das Gehalt auf etwa 60.000 Euro steigen, da man bis dahin noch einige beruflichen Zwischenstufen wie Senior und Manager erklimmen und sogar Prüfungsleiter werden kann. Zum Bestätigungsvermerk ist jedoch nur der Wirtschaftsprüfer befugt.

EY

Nach wie vor begeistert

Zu den Geschäftsbereichen von EY gehören nicht nur Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung, sondern auch Turnaround & Restructuring. Deniz Dana ist seit über vier Jahren bei der Big-Four-Gesellschaft als Restrukturierungsberater tätig.

Deniz Dana

Wie kamen Sie darauf, in der Re­strukturierung zu arbeiten?

Dana: Durch den Vortrag eines Prakti­kers an meiner Hochschule. Das war ausgesprochen spannend und brach­te mich — auch wegen des Facetten­reichtums der Aufgaben — auf den Geschmack.

Was haben Sie studiert?

Dana: Im Bachelorstudium interna­tionales Finanzmanagement, im Mas­terstudium an der Bayes Business School in London, zu meiner Zeit hieß sie noch Cass Business School, war der Schwerpunkt dann neben Finance auch Banking. Hinzu kamen verschie­dene Praktika, bei denen es unter an­derem um M&A, also um Mergers & Acquisitions, ging.

Haben Sie gleich danach bei EY an­gefangen?

Dana: Zuerst habe ich bei einer mittel­ständischen Unternehmensberatung gearbeitet, bei der ich erste Einbli­cke und praktische Erfahrungen mit Restrukturierungen und den damit verbundenen Prozessen gewann. Das war zum Teil eine steile Lernkurve. Nach ungefähr zwei Jahren wechselte ich dann zu EY.

Wie sind hier Ihre bisherigen beruflichen Erfahrungen?

Dana: Sehr positiv. Die Arbeit an gro­ßen Projekten mit teilweise internatio­nal agierenden Unternehmen ist sehr interessant, und es ist immer wieder beeindruckend, wie viel Expertenwissen in den unterschiedlichen Abteilun­gen und Bereichen von EY vorhanden ist. Zudem wird einem ein Mentor zur Seite gestellt, den ich bei beruflichen Fragen stets um Rat fragen kann.

Muss man Steuerberater oder Wirt­schaftsprüfer sein, um Restruktu­rierungsexperte zu werden?

Dana: Beide Berufsabschlüsse wer­den bei den Big-Four-Gesellschaften generell zwar gern gesehen, für die Arbeit als Restrukturierungsberater sind sie jedoch nicht zwingend not­wendig. Man steigt auf der Ebene des Consultant ein und entwickelt sich dann fachlich weiter. Am Ende kann die Partnerschaft stehen.

Wie sieht die Anfangszeit aus?

Dana: Man unterstützt erfahrene Be­rater bei ihrer Arbeit, etwa indem man wirtschaftliche Analysen erstellt, bis man auch größere Teilprojekte selb­ständig bearbeiten kann.

Wie groß ist die Arbeitsbelastung?

Dana: Das hängt von den jeweiligen Projektphasen ab, bei denen es schon einmal stressig werden kann, denn es gibt natürlich immer wieder Dead­lines. Das Arbeitsmodell von EY er­möglicht es jedoch, Überstunden in ruhigeren Zeiten abzubauen.

Welche Rolle spielt die IT bei Ihrer Tätigkeit?

Dana: Die zunehmende Datenvielfalt und Komplexität in den Unternehmen erfordern innovative Lösungen im Be­reich Data Analytics. Hier findet eine besondere Ausbildung statt, beispiels­weise auch in interaktiver Visualisie­rung.
Hat sich die Pandemie auf die Ar­beitsweise bei Ihnen ausgewirkt?

Dana: Die Video-Meetings haben da­zu beigetragen, dass man bei der Ar­beit wesentlich flexibler geworden ist. Damit sind beispielsweise auch län­gere Auslandsaufenthalte möglich ge­worden.

Sie machen den Eindruck, als ob Sie genau den richtigen Beruf für sich gefunden haben.

Dana: So ist es auch. Meine Begeis­terung für ihn hat bis heute nicht nach­gelassen.

Hat man das Examen hinter sich und arbeitet als Senior Manager oder Director bei einer größeren WP-Gesellschaft, liegt das Jahreseinkommen bei ungefähr 72.000 bis 90.000 Euro. Wie generell in der Wirtschaft gilt auch hier: Große Unternehmen zahlen meist besser als kleinere. Später, wenn man möglicherweise Partner einer WP-Geselllschaft wird, klettert der Verdienst schnell in den sechsstelligen Bereich, möglicherweise bis auf 300.000 Euro und in Einzelfällen sogar höher.

Bevor es so weit ist, wartet jedoch eine lange Ausbildung auf den WP-Aspiranten. Sie wurde in den letzten Jahren durch einige neue Möglichkeiten ergänzt, was sie selbst fast zur kleinen Wissenschaft gemacht hat. Auch hier gilt es, sich gut zu informieren und gegebenenfalls ausführlichen Rat einzuholen, damit man den passenden Weg einschlägt.

Der klassische Weg sieht nach dem Studium eine mindestens drei Jahre lange Praxisphase vor. Davon zwei Jahre Prüfungstätigkeit, in der man als Prüfungsassistentin und Prüfungsassistent unter anderem an Abschlussprüfungen teilnimmt und Prüfungsberichte abfasst. Damit kommt nur ein Arbeitgeber in Betracht, der zu gesetzlichen Abschlussprüfungen befugt ist. Beträgt die Regelstudienzeit des zuvor absolvierten Studiums weniger als acht Semester, wie meist bei Bachelorstudiengängen, verlängert sich die Praxisphase auf vier Jahre.

Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder man macht den sogenannten Voll-WP. In diesem Fall muss man im Examen insgesamt sieben Klausuren aus den vier Prüfungsgebieten (1) Prüfungswesen, Unternehmensbewertung und Berufsrecht, (2) angewandte BWL/VWL, (3) Wirtschaftsrecht und (4) Steuerrecht schreiben. Oder man wählt die klassische Zwei-Stufen-Lösung und legt zuvor die Steuerberaterprüfung ab, womit einem im WP-Examen das Steuerrecht und damit zwei Klausuren erspart bleiben.

Mazars

Mit viel Freude dabei

Bereits im Bachelor- und Masterstudium stellte Jagoda Cwiklik die Weichen für ihre berufliche Zukunft im Accounting und Auditing. Seit 2020 ist sie bei Mazars in Berlin tätig. In Deutschland ist die Steuerberatungs- und WP-Gesellschaft in zwölf Städten präsent.

Jagoda Cwiklik

Ihr Berufstart bei Mazars fiel mit dem Beginn von Corona zusam­men. War das nicht schwierig?

Cwiklik: Anfangs war es tatsächlich nicht einfach, da wir nicht wussten, was auf uns zukommt. Doch die Ar­beit pendelte sich erstaunlich schnell ein. Auch weil Mazars vor Pandemie­beginn mobiles Arbeiten anbot und di­gital bereits super aufgestellt war.

Dennoch war es wohl merkwürdig, den neuen Kolleginnen und Kolle­gen nur auf dem Bildschirm zu be­gegnen.

Cwiklik: Ich hatte das Glück, den Großteil des Teams noch persönlich kennenzulernen, ehe wir alle von zu Hause aus arbeiteten. Nun kenne ich alle, da man sich wieder öfter im Büro begegnet. Vielfach wird jedoch noch im Homeoffice gearbeitet, was natür­lich auch Vorteile hat.

Was bei Ihrer Arbeit als Audit As­sistent auch gut möglich ist.

Cwiklik: Ja, die Digitalisierung ist auch in diesem Beruf weit fortgeschritten. Durch die Pandemie hat sie noch zu­sätzlichen Schub bekommen.

Hatten Sie schon als Studentin vor, eines Tages im Auditing zu arbei­ten?

Cwiklik: Im Bachelor studierte ich Sla­wistik und BWL an der Humboldt Uni­versität in Berlin und sammelte wäh­renddessen wertvolle Praxiserfahrun­gen als Werkstudentin bei einem Big-Four-Unternehmen. Diese Zeit prägte meinen weiteren Werdegang, da ich meinen Schwerpunkt beim Master an der TH Brandenburg dann auf Ac­counting und Finance legte. Während des Studiums habe ich auch zwei Se­mester in Portugal verbracht. Die Mas­terarbeit schrieb ich dann zu einem Thema aus dem internationalen Rech­nungswesen.

Damit war die Richtung seit Beginn Ihres Studiums klar vorgegeben.

Cwiklik: Ja, ab da wusste ich genau, wo ich meine berufliche Zukunft sehe.

Haben Sie schon eine Idee, wann Sie die WP-Prüfung anpacken?

Cwiklik: Ich bin mir noch unsicher, ob ich das WP-Examen ablegen werde. Das ist bei Mazars aber auch nicht ausschlaggebend, weil hier jeder sei­nen eigenen Karriereweg bestimmen kann und dabei unterstützt wird.

Wäre der Steuerberater eine Alter­native?

Cwiklik: Eher nicht. Im Prüfungswe­sen fühle ich mich sehr wohl und die Arbeit macht mir viel Spaß. Auch oh­ne das Berufsexamen kann man in die­sem Bereich verantwortungsvoll arbei­ten und Karriere machen.

Was gefällt Ihnen besonders an der Tätigkeit?

Cwiklik: Bei uns gleicht kein Tag dem anderen. Es gibt immer etwas Neues. Jeder Mandant kommt aus einer an­deren Branche, wodurch man ständig dazulernt und tiefe Einblicke in die Wirtschaft bekommt. Ich habe auch gern Kontakt zu unseren Kunden und bin gern vor Ort. Was jetzt — nach Rückgang der Pandemie — zuneh­mend wieder möglich wird.

Wenn Sie jemand fragen würde, ob Ihre Tätigkeit auch etwas für ihn oder sie wäre. Was würden Sie ant­worten?

Cwiklik: Natürlich sollte einem die Materie liegen und Spaß machen. Wer sich nicht sicher ist, sollte unbedingt ein Praktikum bei einer Wirtschafts­prüfungsgesellschaft absolvieren, um Einblicke in den Beruf zu bekommen. Man muss Freude am systematischen und strukturierten Arbeiten haben und offen gegenüber unterschiedlichsten Kunden sein.

Der zweite Weg wird trotz der zwei Examina — bei der Steuerberaterprüfung fallen im ersten Versuch auch etwa 50 Prozent der Kandidaten durch — bis heute von den meisten gewählt. Zum einen, um die Prüfungslast im WP-Examen zu reduzieren. Zum anderen kann man sich im Gegensatz zum ersten Weg danach Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer nennen. Um steuerberatend tätig zu werden, benötigt man den Steuerberater-Titel jedoch nicht. Denn als WP kann man später auch Steuerberatung betreiben, wie sich aus dem schon zitierten § 2 der WPO ergibt.

Seit letztem Jahr gibt es die Möglichkeit, die WP-Prüfung, deren schriftlicher Teil bislang als Blockprüfung an einem Stück erbracht werden musste, zeitlich zu entzerren. Damit ist nun eine individuellere Examensplanung möglich. Die einzelnen Prüfungsgebiete, insgesamt sind es bis zu vier, können über einen maximal sechsjährigen Zeitraum verteilt werden. Durch diese Modualisierung dürfte die WP-Prüfung erheblich an Schrecken verlieren und insbesondere für diejenigen machbarer werden, die bislang den Prüfungsstress scheuten.

Die lange Ausbildung und die nicht einfache Prüfung hatten bereits zuvor zu Überlegungen geführt, wie man die Ausbildung auflockern und facettenreicher gestalten kann. Mit der Bologna-Reform, die die Bachelor- und Masterstudiengänge mit sich brachte, kam dann einiges Neues.

Etwa der zweijährige Masterstudiengang, der auf die Erlangung des WP-Titels abzielt und nach § 8a WPO akkreditiert werden muss. Er setzt ein Bachelorstudium, bevorzugt in BWL, eine mindestens einjährige Berufspraxis — davon sechs Monate im Prüfungseinsatz — und das Bestehen einer Zugangsprüfung voraus. Das Studium ist sehr praxisorientiert. Hat man den Master in der Tasche, kann man sich gleich für das WP-Examen anmelden, wobei einem zwei der vier Prüfungsgebiete — angewandte BWL/VWL und Wirtschaftsrecht — erspart bleiben. Eine Übersicht über die akkreditierten Studiengänge findet man auf der Internetseite der Wirtschaftsprüferkammer und des Instituts der Wirtschaftsprüfer.

dhpg

Spezialist, Generalist, alle sind willkommen

Über 600 Beschäftigte sind an elf Standorten für dhpg tätig. Marko Müller ist einer der Senior Partner. Er ist Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und berät mittelständi­sche Unternehmen. Seine Tätigkeit als Generalist möchte er nicht missen.

Marko Müller

Sie sind Diplom-Kaufmann, haben also noch eine klassische BWL-Ausbildung durchlaufen. Heute sind Sie Steuerberater und Wirtschafts­prüfer. Wann entdeckten Sie Ihre Vorliebe für diese Berufe?

Müller: Ich bin etwas vorbelastet, da bereits mein Großvater und mein Vater Steuerberater waren. Der Beruf war mir also schon früh vertraut. An der Uni Gießen belegte ich dann im Haupt­studium, wie es damals hieß, die ent­sprechenden Fächer.

Sie haben vermutlich den üblichen Weg eingeschlagen, also zuerst das Steuerberater- und dann das Wirt­schaftsprüferexamen abgelegt.

Müller: Ja, zumal einem beim WP-Examen einige Leistungen aus dem Steuerberaterexamen angerechnet werden, was das WP-Examen erheb­lich erleichtert.

Einige streben erst einmal das Steu­erberaterexamen an, ohne gleich zu wissen, ob sie noch den Wirtschafts­prüfer draufsetzen werden.

Müller: Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man erst mal Erfahrungen in der Praxis sammeln möchte, um heraus­zufinden, was einem beruflich liegt.

Wofür schlägt Ihr Herz?

Müller: Ich übe beide Tätigkeiten aus. Mir macht beides viel Freude.

Ihre Mandanten sind in erster Linie mittelständische Unternehmen. Er­warten die nicht ohnehin Beratung aus einer Hand?

Müller: Ja, insbesondere eigentümer­geführte Unternehmen schätzen es, wenn ihnen ein kompetenter Ansprech-partner gegenübersitzt.

Was aber nicht bedeutet, dass Sie auf alle Fragen eine Antwort haben müssen.

Müller: Nein, das kann man bei der heutigen Komplexität der Materie auch gar nicht, denken Sie nur an das sich immer weiterentwickelnde Steuerrecht. Und es erwartet auch niemand von einem. Wir verfügen in unserer Ge­sellschaft jedoch über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit hoher Kompe­tenz auf allen Gebieten, die jederzeit das notwendige Know-how beisteu­ern. Auf diese Weise erhalten die Man­danten eine hochprofessionelle Be­ratung, die sie zu Recht erwarten.

Ist es nicht viel anregender, wie Sie generalistisch tätig zu sein, als sich jahrelang stets nur mit einem Spe­zialgebiet — sagen wir mal mit dem Umsatzsteuerrecht — zu beschäf­tigen?

Müller: Jeder muss für sich entschei­den, was reizvoller ist. Ein gefragter Ex­perte auf einem Spezialgebiet zu sein, kann auch sehr befriedigend sein. Uns sind beide sehr willkommen.

Kann man auch die Richtung wech­seln, wenn man nach einer gewis­sen Zeit andere Themen bearbeiten möchte?

Müller: Bei uns auf jeden Fall. Das kommt auch immer wieder vor.

Es gibt viele Wege, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zu werden. Auch die Hochschulen bieten ver­schiedene Studiengänge an, mit de­nen man sich auf diese Berufe vor­bereiten kann.

Müller: Das ist eine gute Entwicklung, die wir sehr begrüßen. Sie erleichtert den Zugang zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sehr. Man sollte sich also auf jeden Fall umsehen, was die Hochschulen alles zu bieten haben.

Hat ein Bachelor bei Ihnen diesel­ben Chancen wie ein Master?

Müller: Auf jeden Fall. Wer sich spä­ter beispielsweise berufsbegleitend weiterbilden will, etwa noch den Mas­ter machen möchte, kann das gern tun. Wir unterstützen die Weiterbildung un­serer Mitarbeitenden in jeder Form.

Nicht erspart bleibt einem jedoch die Berufspraxis. Da die Praxiszeit, die man zwischen Bachelor- und Masterstudium abgeleistet hat, in vollem Umfang angerechnet wird, verkürzt sie sich auf maximal zwei Jahre. Erst dann kann man zum Wirtschaftsprüfer bestellt werden. Wer sich nach dem Abitur beeilt, kann den WP so bereits mit 26 Jahren schaffen.

§ 13b WPO ermöglicht es, dass Studienleistungen, die in anderen Studiengängen als den in § 8a WPO genannten erbracht wurden, beim WP-Examen angerechnet werden. Voraussetzung ist, dass die abgelegten Prüfungen in Inhalt, Form und zeitlichem Umfang denen des WP-Examens entsprechen. Auch hier können maximal drei Prüfungen aus den Bereichen angewandte BWL/VWL und Wirtschaftsrecht anerkannt werden. Die Universität Ulm bietet seit einiger Zeit einen solchen Bachelorstudiengang an.

Eine weitere Alternative auf dem Weg zum WP ist AuditXcellence, ein Ausbildungsangebot der Big Four, das zusammen mit dem Institut der Wirtschaftsprüfer und einigen Hochschulen ins Leben gerufen wurde. Es wendet sich an Bachelorabsolventen, die bei einer der großen oder bei einer mittelständischen WP-Gesellschaft erste praktische Erfahrungen gesammelt haben, den WP anstreben und berufsbegleitend ein Masterstudium absolvieren möchten.

Das dreieinhalbjährige Studium ist als Ergänzung zur WP-Ausbildung gedacht und als Blockmodell konzipiert, bei dem sich Studien- und Praxisphasen ablösen. Auf diese Weise bleiben die Mitarbeiter während der Studienzeit ins Unternehmen eingebunden und haben dennoch genug Zeit fürs Studium. Doch das sind nicht die alleinigen Vorteile. So übernehmen die WP-Gesellschaften einen Teil der Studiengebühren und garantieren eine optimale Vorbereitung aufs Examen. Zudem werden dort einige Studienleistungen angerechnet, womit die Teilnehmer von AuditXcellence am Ende nur noch in den Fächern Prüfungswesen und Steuerrecht geprüft werden.

Dass man sogar ohne Studium WP werden kann, unterstreicht nur, wie komplex die Zugangswege bei diesem Beruf sind. In diesem, allerdings seltenen Fall, sind zehn Jahre Berufserfahrung in der Wirtschaftsprüfung nötig, bevor man zum WP-Examen zugelassen wird. Man kann auch zuvor fünf Jahre als Steuerberater oder vereidigter Buchprüfer gearbeitet haben.

Dr. Dienst & Partner

Reizvoll und sehr lebendig

Verschiedenste Mandanten und ein breites Aufgabenfeld — für die promovierte Betriebswirtin Julia Schneider ist das eine der Attraktionen ihrer Tätigkeit als Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin. Als Geschäftsführerin ist sie auch Managerin.

Als Geschäftsführerin Ihrer Gesellschaft gehört auch Management zu Ihren Aufgaben.

Julia Schneider

Schneider: Ja, das macht etwa ein Drittel meiner Arbeitszeit aus. Der Rest verteilt sich je zur Hälfte auf Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung.

Was machen Sie am liebsten?

Schneider: Alles hat reizvolle Seiten. Der Service-Aspekt ist bei der Steuerberatung am größten. Leistet man gute Arbeit, erhält man von dankbaren Mandanten viel positives Feedback.

Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung sind Dienstleistungen. Der Umgang mit Mandanten sollte einem also Freude machen.

Schneider: Auf jeden Fall. Sie erwarten zu Recht, gut und individuell beraten zu werden und dass man die besten Lösungen für ihre Fragen und Probleme findet.

Und die werden heute offenbar immer komplexer.

Schneider: Ja, das bedeutet — wie in anderen Berufen — ständige Weiterbildung. Nicht zuletzt wegen neuer Gesetze und Gesetzesänderungen, neuer Urteile und Erlasse.

Die Mandanten erwarten wohl auch, dass ihnen komplexe Sachverhalte verständlich vermittelt werden.

Schneider: Insbesondere bei inhabergeführten mittelständischen Unternehmen. Hier ist man meist der erste Ansprechpartner und damit die wichtigste Kontaktperson, was gute und vor allem klare Kommunikation erfordert. Gerade im nicht immer einfachen Steuerrecht ist einiges erklärungsbedürftig. Bei großen Unternehmen sind die Gesprächspartner oft selbst Fachleute, etwa in den Steuerabteilungen. Da kann man eher in die Fachsprache übergehen.

Betreuen Sie auch Großkonzerne?

Schneider: Ja, aktuell sogar einen, der in 70 Ländern tätig ist.

Wer mit Steuern und Wirtschaftsprüfung liebäugelt, sollte also auch Social Skills mitbringen?

Schneider: Auf jeden Fall, auch weil sie vieles erleichtern. Insbesondere in einer mittelständischen Gesellschaft wie unserer, wo man es mit sehr unterschiedlichen Mandanten aus verschiedensten Branchen zu tun hat, auf die man individuell eingehen muss. Was auch sehr reizvoll ist und die Arbeit sehr lebendig macht.

Das erfordert sicher auch viel generelles Wissen.

Schneider: Ja, als Generalist kommt man dabei voll auf seine Kosten. Doch man kann sich auch auf einen Bereich kaprizieren. Denn auch wir benötigen Spezialisten.

Wie gut muss man mit Zahlen können?

Schneider: Man benötigt keine höhere Mathematik, sollte mit Mathe aber auch nicht auf Kriegsfuß stehen. Der Umgang mit Zahlen sollte einem also liegen, denn in beiden Berufen geht es nicht ohne sie.

Was hilft einem noch?

Schneider: Beispielsweise analytisches, systematisches und präzises Arbeiten, auch Teamarbeit sollte einem Freude machen.

Man stellt sich Steuerberater und WPs immer als sehr gut organisierte Menschen vor, die strenge Ordnung halten.

Schneider: (lacht) Da ist sicher was dran. Allein deshalb, weil man nur so den Überblick behält und zügig arbeiten kann. Man lernt es also rasch.

Empfehlen Sie nach dem Bachelorstudium noch den Master?

Schneider: Ja, wenn man es einrichten kann. Man kann ihn auch berufsbegleitend machen. Auch praktische Vorerfahrung kann helfen.

Wer nun glaubt, damit sei alles zur WP-Prüfung gesagt, hat die Rechnung ohne die Wirklichkeit gemacht. Denn fast niemand sieht sich in der Lage, trotz der langen praktischen Tätigkeit einfach so ins Examen zu gehen. Dafür bedarf es einer drei- bis viermonatigen intensiven Vorbereitungszeit, in der man in der Regel vom Arbeitgeber freigestellt wird.

Die meisten erarbeiten den alles andere als leichten Prüfungsstoff mithilfe von schriftlichen und mündlichen Lehrgängen, die in vielen Varianten angeboten werden. Das Gleiche gilt übrigens für diejenigen, die vor dem WP-Examen die Steuerberaterprüfung ablegen. Da sich die Kosten für diese Lehrgänge schnell auf ein paar tausend Euro belaufen können, leisten die WP-Gesellschaften, bei denen man seine Assistentenzeit verbringt, hier meist finanzielle Hilfe.

Es würde verwundern, sollte das Lernen jetzt, da man ein frischgebackener WP ist, ein für allemal beendet sein. Wie heutzutage in jedem anderen Beruf ist auch hier lebenslanges Lernen angesagt. Beispielsweise hat die Digitalisierung den WP-Beruf längst erreicht. Damit spielt Software bei der täglichen Arbeit eine bedeutsame Rolle. Der Umgang mit ihr muss erlernt werden. Beherrscht man sie, gibt es sicher bald Upgrades oder neue, noch bessere Software, die wiederum neue Schulungen erfordert. Wie weit die Digitalisierung inzwischen auch in diesen Berufen fortgeschritten ist, wird allein daran deutlich, dass die DATEV, der IT-Dienstleister für 40.000 Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, heute 3.500 Fachkräfte im IT-Bereich beschäftigt.

Abgesehen davon gibt es ständig neue Gesetze und Gesetzesänderungen, Erlasse der Finanzverwaltung sowie neue Rechtsprechung, die berücksichtigt werden müssen. Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sind nur ein Beispiel von vielen.

Doch wie findet man heraus, ob dieser Beruf etwas für einen sein könnte? Auf diese Frage haben die meisten, die ihn ergriffen haben, eine klare Antwort: Man sollte auf jeden Fall ein — nicht zu kurzes — Praktikum bei einer Prüfungsgesellschaft machen. Die meisten bieten Praktika nach dem vierten Semester im Bachelorstudium an. In der Regel wird man bereits früh bei Betriebsprüfungen eingesetzt, das Live-Erlebnis lässt also nicht lange auf sich warten.

Je eher man diese Erfahrung macht, desto besser. Sollte sie einem gefallen, kann man noch einen Teil des Studiums auf diesen Beruf ausrichten, indem man sich beispielsweise verstärkt mit Rechnungswesen, Finance, Controlling und Steuern befasst. Die Wirtschaftsprüferordnung schreibt jedoch keine bestimmten Studienfächer vor.

Man kann während des Praktikums auch gleich prüfen, ob man über die anderen Skills verfügt, die außer den bereits genannten für diesen Beruf erforderlich sind. Wirtschaftsprüfer arbeiten in der Regel im Team, ohne Teamfähigkeit geht es also nicht. Dazu gehören auch gute Communication Skills, vor allem wenn man Mandanten berät. Denn die oft sehr komplexen Materien, mit denen es Wirtschaftsprüfer meist zu tun haben, erfordern eine klare Ausdrucksweise. Die Mandanten wollen verstehen und nachvollziehen können, worum es geht. Während einem bei großen Unternehmen meist Fachleute aus dem Rechnungswesen, der Steuer- oder Rechtsabteilung — also Profis — gegenübersitzen, die die Fachsprache beherrschen, ist es bei einem mittelständischen und vor allem bei kleineren Unternehmen nicht selten der Inhaber, der etwas mehr Erklärungen benötigt als die gewieften Experten.

Dass man als Wirtschaftsprüfer darüber hinaus analytisch und strukturiert denken können muss, versteht sich von selbst. Großartige mathematische Kenntnisse sind zwar nicht erforderlich, mit Zahlen sollte man aber nicht auf Kriegsfuß stehen. Nicht zuletzt sind Wirtschaftsprüfer Dienstleister. Nicht nur wenn sie beratend tätig sind, kommen sie ohne kundenorientiertes Denken nicht aus. Denn auch in dieser Branche ist die Konkurrenz groß.

Wer in dieser Branche seine berufliche Zukunft sieht, hat also eine gute Wahl getroffen — eine hochinteressante, abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Arbeit, hohes Renommee, ein guter bis sehr guter Verdienst und viele Entwicklungsmöglichkeiten in unterschiedlichste Richtungen warten auf einen. Außerdem ist man direkt am Puls der Wirtschaft, was unmittelbare und tiefe Einblicke garantiert. Etwas, das nicht nur Anfänger fasziniert.