In Zeiten globaler Wertschöpfungsketten ist Logistik ein Fach mit Zukunft. Die Digitalisierung verändert jedoch die Anforderungen an Logistikmanager.
Studienreport
Über 40 Jahre ist es her, dass die FH Bremerhaven als bundesweit erste Hochschule einen Studiengang Logistik einrichtete. Die Hafenstadt an der Wesermündung, die zum Stadtstaat Bremen gehört, war dafür prädestiniert, gehen doch von hier Produkte „made in Germany“ in alle Welt. Der Bremerhavener Autoterminal gilt als weltweit größter Umschlagplatz für Neuwagen. Bis heute ist der Ende der sechziger Jahre angelegte und immer wieder vergrößerte Containerhafen einer der umschlagstärksten in Europa, weltweit liegt er auf dem 26. Platz.
Die Bremerhavener hatten damals einen guten Riecher, denn Logistik entwickelte sich rasch zum Trendfach. Inzwischen ist es aus dem Studienprogramm deutscher Hochschulen nicht mehr wegzudenken. Über hundert haben Logistik als eigenständigen Studiengang oder als Schwerpunkt innerhalb eines anderen Fachs im Angebot. Nicht alle heißen „Logistik“, „Logistikmanagement“ oder „Supply Chain Management“. Man trifft auch auf International Logistics, Global Logistics, Maritime Logistics, Informationslogistik, digitale Logistik und sogar umweltorientierte Logistik. Auch Chemie- und Pharma- sowie Luftfahrtlogistik sind im Angebot. Und es muss nicht unbedingt ein Vollzeit-Präsenzstudium sein. Selbstverständlich kann man Logistik auch berufsbegleitend per Fernstudium oder an einer dualen Hochschule studieren.
Dieses Angebot macht den Deutschen so leicht keiner nach. Ihr Faible für Logistik — laut „Gabler Wirtschaftslexikon“ die integrierte Planung, Koordination, Durchführung und Kontrolle der Güterflüsse und der güterbezogenen Informationen von der Entstehung bis zum Verbrauch — kommt nicht von ungefähr. Als exportorientierte Nation im Herzen Europas ist man auf einen reibungslosen Güterverkehr angewiesen, ob zu Wasser, zu Lande oder in der Luft. Zudem ist Deutschland dicht besiedelt. Jede größere Störung des Bahn-, Flug- oder Autoverkehrs hat deshalb gleich gravierende Konsequenzen — wie bei einem Uhrwerk, das stillsteht, sobald sich ein Rädchen nicht mehr bewegt. Umso wichtiger, dass alle reibungslos ineinander greifen und keines aus dem Takt gerät.
Der dritte Grund dürfte sein, dass die meisten Deutschen Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit besonders schätzen. Das macht sie fast automatisch zu Logistik-Fans. Denn wie lassen sie sich besser erreichen als mit einer intelligenten, effizienten und gegen alle Eventualitäten gewappneten Logistik?
Damit wird auch verständlich, warum gleich mehrere der führenden Logistikunternehmen ihren Sitz in Deutschland haben. Allen voran Deutsche Post DHL, mit einer halbe Million Beschäftigten der größte Logistikkonzern der Welt, der nach eigenem Bekunden jede Stunde eine Million Kundenkontakte hat. Auch die Deutsche Bahn ist ein wichtiger Logistikdienstleister, für den 320.000 Mitarbeiter tätig sind. Konzerneigene Tochtergesellschaften sind etwa DB Mobility Logistics, die Spedition Schenker und der Spezialist für Schienengüter DB Cargo, dessen Netzwerk bis nach Russland und China reicht.
Weitere international bedeutende Logistikunternehmen sind die Spedition Dachser — ein Familienunternehmen aus dem Allgäu —, der Logistikdienstleister Arvato, der zum Medienkonzern Bertelsmann gehört, und Fraport, die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, die noch eine Reihe weiterer deutscher und internationaler Flughäfen managt. Insgesamt beschäftigt die Logistik- und Transportbranche hierzulande rund drei Millionen Menschen. Damit ist sie, was die Beschäftigtenzahl anbelangt, der drittgrößte Wirtschaftszweig.
Das Fach Logistik hat im Laufe der Zeit einige Wandlungen durchgemacht. Ging es früher — vereinfacht ausgedrückt — darum, einen Transport pünktlich und unbeschadet von A nach B zu bekommen — laut der Seven-Rights-Definition von Plowman ist Logistik die Verfügbarkeit des richtigen Gutes, in der richtigen Menge, im richtigen Zustand, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden und zu den richtigen Kosten —, rückte mit der Globalisierung die gesamte Wertschöpfungkette in den Fokus. Aus dem Logistikmanager wurde der Supply Chain Manager, dessen ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen Effizienz- und Qualitätsvorteile ermöglichen soll, die sich in Wettbewerbsvorteile ummünzen lassen. Neu ist auch, dass er den Wertschöpfungsprozess „vom Ende her“, also vom Kunden, denkt. Nicht ohne Grund stehen beim Supply Chain Management (SCM) Konzepte wie ERP (Enterprise Resource Planning) und ECR (Efficient Consumer Response) im Mittelpunkt.
Gegenwärtig sorgt vor allem die Digitalisierung für Veränderung. Mit der wachsenden Bedeutung von Daten für den Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsprozess lösen sich die traditionellen Wertschöpfungsketten zunehmend auf. An ihre Stelle treten dynamische Netzwerke: Fließsysteme, die ständig optimiert und neu konfiguriert werden. So wird der Supply Chain Manager nach und nach zum Flow Manager — eine Mischung aus IT-Spezialist, Projektmanager und Value-Chain-Optimierer, der auch noch die Anforderungen der Umwelt in seinen Überlegungen berücksichtigt.
In den meisten Unternehmen ist das noch Zukunftsmusik. Dass die Digitalisierung in der Logistik eine immer größere Rolle spielt, ist allerdings bereits heute kaum zu übersehen. Laut einer Umfrage der Bundesvereinigung Logistik (BVL) unter Industrie-, Handels- und Logistikunternehmen ist sie neben dem Kostendruck sowie der zunehmenden Individualisierung und Komplexität der wichtigste Logistik-Trend. Die meisten stehen ihr positiv gegenüber: Drei Viertel der Firmen sehen in der digitalen Transformation eine Chance, lediglich ein Drittel nimmt sie auch als Risiko wahr — oft weil ausreichend qualifizierte Mitarbeiter fehlen.
Um aus der Digitalisierung einen Nutzen zu ziehen, braucht es — da sind sich die Unternehmen weitgehend einig — in erster Linie eine transparente Supply Chain. Oft hapert es daran jedoch noch, was zum einen an fehlenden Daten und nicht definierten Schnittstellen und zum anderen an der mangelnden Datenqualität liegt. Während Transport- und Wareneingangsdaten bereits systematisch erfasst und geteilt werden, gibt es vor allem bei Daten zum Bestand, zum Bedarf und zu Materialflussstörungen noch Verbesserungspotenzial.
Mit technischem
oder kaufmännischem Fokus
Wer sich für ein Studium Logistik bzw. Supply Chain Management interessiert, muss wissen, dass es ein interdisziplinäres Fach ist, das betriebswirtschaftliches und technisches Wissen vereint. Je nachdem wo man studiert, steht das eine oder das andere im Vordergrund. So hat das Logistik-Studium an der TU Dortmund ganz klar einen technischen Fokus. Entsprechend schließt es nach sieben Semestern mit dem Bachelor of Science ab. Das gilt zwar auch für das Studienfach Logistikmanagement an der FH Dresden. Dort liegt das Schwergewicht allerdings auf den kaufmännischen Disziplinen. Das sechste Semester ist einem Auslandsstudium vorbehalten, an das sich ein dreimonatiges Pflichtpraktikum anschließt.
Die Hochschule Bremerhaven schlägt gewissermaßen einen Mittelweg ein. Das Logistik-Studium besteht hier zu jeweils einem Drittel aus Naturwissenschaft und Technik, Wirtschaftswissenschaft und anwendungsorientierten Fächern wie Informatik, Wirtschaftsrecht und Gefahrgutmanagement. Auch „English for Logisticians“ steht auf dem Lehrplan, zudem werden Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen vermittelt. Abgeschlossen wird das sechssemestrige Studium, das die Studenten zu Logistik-Allroundern ausbilden soll, mit dem Bachelor of Engineering.
Für alle Logistik-Studiengänge gilt: Man muss zwar kein Einstein sein, sollte jedoch mit Mathematik und mit Technik nicht auf Kriegsfuß stehen. Schließlich bedeutet der Begriff, wörtlich übersetzt, „praktische Rechenkunst“. An der Universität Hannover sind „Spaß am Rechnen“ und physikalisch-technisches Verständnis deshalb Grundvoraussetzungen, um das Bachelorstudium Produktion und Logistik erfolgreich zu absolvieren.
Wer sich für das Management von Informationsflüssen interessiert — ein Spezialgebiet der Logistik, dem die Zukunft gehören dürfte —, kann an der Hochschule für Technik in Stuttgart Informationslogistik studieren. Dieselbe Hochschule bietet zudem ein Masterstudium in umweltorientierter Logistik an. Einzigartig auch der Studiengang Logistik und Management Frischprodukte der Hochschule Geisenheim, der nach sieben Semestern mit dem Bachelor of Science abgeschlossen wird.
Für alle, die Logistik berufsbegleitend studieren wollen, gibt es an der FOM Hochschule den Masterstudiengang Logistik & Supply Chain Management. Im Verlauf der zweijährigen Ausbildung erfährt man alles über Beschaffungsstrategien, Produktions- und Distributionskonzepte und internationales Transportrecht. Auch das Thema „Smart Logistics“ kommt nicht zu kurz. Stichworte sind hier E-Logistik, die Industrie 4.0 und das Internet der Dinge.
Und dann ist da noch die Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg, eine private Hochschule, die sich ganz dem Thema Logistik verschrieben hat. Man kann zwischen zwei viersemestrigen Masterprogrammen Supply Chain Management wählen, von denen eines auf drei Kontinenten — Europa, Nordamerika und Asien — stattfindet. Man kann an der KLU aber auch ganz normal BWL studieren — mit SCM als einem möglichen Schwerpunkt. Dank des Finanzierungsmodells „Brain Capital“ ist es möglich, die Studiengebühren erst nach dem Ende des Studiums einkommensabhängig zurückzuzahlen.
Lust auf Logistik bekommen? Zahlreiche Hochschulen wetteifern um die besten Programme und die Gunst der Studierenden. Doch gleichgültig, für welches man sich entscheidet: Logistik ist mit Sicherheit eine gute Wahl.
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