Arbeiten

Welcher Rhythmus ist der beste?

Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann war einer der bekanntesten und produktivsten deutschen Schriftsteller. Obwohl er 1933 aus Deutschland flüchten und im Exil leben musste, brachte er es auf ein stattliches Lebenswerk von zahlreichen Romanen, Erzählungen, Novellen und Essays. Diese Produktivität verdankte er nicht nur seinem Talent, sondern auch einem selbst auferlegten, strengen Arbeitsrhythmus. Interessant ist, dass Mann relativ wenig Zeit mit Arbeit verbrachte: Er schrieb zwar täglich, aber nur einige Stunden am Vormittag. Der Rest des Tages war dem Lesen, Gesprächen und der Familie gewidmet.

Der Schriftsteller, der 1955 nach Aufenthalten in Frankreich und den USA in der Schweiz starb, hatte offenbar den optimalen Arbeitsrhythmus gefunden. Die meisten haben jedoch nicht die Freiheit, ihren Arbeitstag so zu gestalten, wie es ihren Wünschen und den Bedürfnissen ihres Körpers entspricht. Sie sind in der Regel an einen Acht-Stunden-Tag mit einer halben oder einer Stunde Mittagspause gebunden.

Dieser Arbeitsrhythmus wirkt sich, wie die lettische Draugiem Group kürzlich herausfand, negativ auf die Produktivität aus. Was kein Wunder ist, stammt er doch aus der Frühzeit der Industrialisierung, als sich der arbeitende Mensch den Maschinen und ihrem Takt unterwerfen musste — und das auch noch viel länger als acht Stunden pro Tag.

Das lettische Unternehmen hat Arbeitnehmer mit der Zeiterfassungs-App DeskTime beobachtet und festgehalten, wie viel Zeit sie mit bestimmten Tätigkeiten verbringen und wann und wodurch sie sich ablenken lassen. Anhand dessen hat es ermittelt, welcher Rhythmus zu den besten Ergebnissen führt. Es sind genau 52 Minuten Arbeit und anschließend 17 Minuten Pause.

Der Grund ist die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns: Nach etwa einer Stunde hoher Konzentration ermüdet es und benötigt eine Erholungsphase von einer Viertelstunde. Allerdings muss es eine richtige Pause sein, in der man beispielsweise spazieren geht oder einen Kaffee mit Kollegen trinkt. Das Gehirn kann hingegen nicht abschalten und sich regenerieren, wenn man sich YouTube-Videos anschaut oder seinen Facebook-Account checkt.

Für den Arbeitsalltag würde das bedeuten, dass Arbeitnehmer am besten jede Stunde spazieren gehen. Arbeitgeber, die das tolerieren, werden allerdings schwer zu finden sein. Doch vielleicht wird sich eines Tages die Erkenntnis durchsetzen, dass dieser gehirnfreundliche Arbeitsrhythmus zu besseren Ergebnissen führt und damit auch im Sinne des Unternehmens ist.

Studenten, die lernen oder Hausarbeiten schreiben, haben jedoch bereits heute die Möglichkeit, ihre Lernzeiten und die Pausen auf diesen optimalen Rhythmus einzustellen. Sie sollten es auf jeden Fall mal ausprobieren. Wichtig für ein gutes Lernergebnis ist allerdings, dass man die Pause nicht mit Computerspielen verbringt — auch wenn es noch so verlockend ist.

© wisu116/42