Wer noch nicht weiß, wo eines Tages seine beruflichen Interessen liegen, sollte sich viele Türen offenhalten. Ein umfassendes BWL-Studium ermöglicht das. Es kann auch zur Grundlage einer weitreichenden Karriere werden.
Studienreport BWL-Studium
Sollten einige Eltern und Großeltern der heutigen Generation Betriebswirtschaft studiert haben, absolvierten sie noch einen Diplomstudiengang an einer Uni oder Fachhochschule, um dann den Titel Dipl.-Kfm. oder Dipl.-Kfm. (FH) ihrem Namen hinzuzusetzen. Bachelor- und Masterstudiengänge kannten sie nur aus dem angelsächsischen Raum. Als ihre Kinder sie nach der Bologna-Reform um Rat fragten, wie das mit dem Studium eigentlich so gehe und wie und was sie studieren sollten, mussten sie oft passen. Denn mit dem Bachelor und Master kannten sie sich mangels eigener Erfahrung nicht aus.
Auch an den Hochschulen war man anfangs recht ratlos. Denn die dortigen Verantwortlichen hatten selbst noch das Diplom-System durchlaufen, das sie geprägt hatte. Und das funktionierte so: Diplomstudiengänge teilten sich in Grund- und Hauptstudium auf. Im Grundstudium lernte man den betriebswirtschaftlichen Kanon, die Grundsäulen der BWL, also Rechnungswesen, Finanzen, betriebliche Steuerlehre, Produktion und Marketing, Organisation und Personalwirtschaft, Logistik und auch Wirtschaftsmathematik/Statistik. Von den Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, von Mikro und Makro, erfuhr man auch etwas. Später dann noch von EDV, wie es damals hieß, bevor man von Wirtschaftsinformatik sprach. Wer wollte, konnte noch Wirtschaftsenglisch draufpacken.
Betriebswirte, die das alte Diplomstudium durchlaufen haben, sind meist heute noch dankbar für diese breite Ausbildung in allen wichtigen BWL-Fächern. Unis wie die in Trier bieten sie weiterhin als Bachelorstudium an. Sie hat unverändert viele Vorteile, meint Studiengangsleiter Prof. Jörn Block. Weiter ...
Im Hauptstudium wählte man dann zwei Fächer, die man schon im Grundstudium mochte, und vertiefte sich in sie — oft bereits mit Blick auf die spätere Berufswahl. In der Regel beschäftigte sich auch die Diplomarbeit, die man schreiben musste, mit einem der Wahlfächer.
Grund- und Hauptstudium, ein übersichtliches und bewährtes System, das Hand und Fuß hatte und eine sehr gute Vorbereitung für mehr oder weniger alle späteren betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten war. Wer ein Diplom-Studium an einer guten Uni mit einer passablen Note absolviert hatte, galt als jemand, der wusste, was sich in Unternehmen tut und wie sie funktionieren. War man richtig gut und ehrgeizig, konnte man bis in die Unternehmensspitze aufsteigen, sprich Topmanager werden. In der deutschen Wirtschaft findet man noch heute überall Diplom-Kaufleute. Es waren nicht zuletzt sie, die Deutschland — zusammen mit Ingenieuren und Wirtschaftsingenieuren und natürlich dank guter Produkte — voranbrachten und die Weltmärkte eroberten.
Als dann die Bachelor- und Masterstudiengänge aufkamen, wurde anfangs versucht, sie an das alte Diplomstudium anzupassen. Indem man beispielsweise sagte, das Bachelorstudium entspreche dem Grundstudium des Diplomstudiums und das Masterstudium dem Hauptstudium. Von der Semesterzahl her passte das auch einigermaßen. Sieben Semester Bachelor- und vier Semester Masterstudium ergeben elf Semester. Ziemlich genau so viel, wie die meisten im Schnitt für ihr Diplomstudium brauchten. Denn in den eigentlich vorgesehenen acht oder neun Semestern schaffte es ohnehin kaum jemand.
Ein Problem war von Anfang an, dass die Arbeitgeber — nicht nur hierzulande, sondern in ganz Kontinentaleuropa — an Bewerber mit Diplomstudium gewohnt waren, die meist zwischen 25 und 27 Jahre alt waren. Man wusste ziemlich genau, was man von ihnen in puncto Wissen erwarten konnte. Oder ob es eventuell noch eines Traineeprogramms bedurfte, um sie fit für den Beruf zu machen.
Das BWL-Studium an der TH OWL findet am Innovation Campus Lemgo statt. Er atmet den Geist moderner Lehre und Forschung und ist laut Studiengangsleiter Prof. Jens Kümmel eine animierende Technik-Location in Nordrhein-Westfalen. Weiter ...
Anders bei Bewerbern mit Bachelorabschluss, die sich oft schon mit 22 oder 23 Jahren um eine Stelle bemühten. Zwar wurde der Bachelor von denjenigen, die sich für die Bologna-Reform eingesetzt hatten, lautstark als berufsqualifizierend propagiert. Doch in den Unternehmen war man eher skeptisch und gab deshalb oft denjenigen, die praktische Erfahrungen — etwa in Form von branchenrelevanten Praktika oder Projektarbeit an ihrer Hochschule — mitbrachten, bei der Einstellung den Vorzug. Nicht selten führte und führt diese Unsicherheit dazu, dass Bewerber mit einem Masterabschluss von ihren Fähigkeiten her mit den alten Diplom-Abgängern gleichgesetzt werden, womit die Arbeitgeber in der Regel nicht falsch liegen.
Als weiteres Problem erwiesen sich Bachelor-Studiengänge, die sich vor allem mit einem engen BWL-Thema befassten, etwa E-Commerce, Event Marketing oder Sales Management, um nur einige zu nennen, und bei denen nicht eingeschätzt werden konnte, ob und inwieweit während des Studiums auch weitergehendes BWL-Wissen vermittelt wurde. Zum Teil waren sie das genaue Gegenteil der klassischen Diplom-BWL-Studiengänge, die — wie bereits gesagt — darauf angelegt waren, breites BWL-Wissen zu vermitteln. Für viele Unternehmen ist das wichtig zu wissen, weil es von vornherein klarmacht, wo neue Mitarbeiter eingesetzt werden können und wo nicht. Kleine und mittelständische Firmen sehen es bis heute gern, wenn sie über Personal mit breitgefächerten Fähigkeiten verfügen, die mit möglichst vielen Aufgaben betraut werden können.
Doch gottseidank gab und gibt es noch Unis und Fachhochschulen, die die Fahne der klassischen umfassenden BWL-Studiengänge hochhielten und noch hochhalten. Sieht man sich ihre Lehrpläne an, erinnern diese stark an die Zeiten des Diplomstudiums. Hier hat sich offenbar erneut die Erkenntnis durchgesetzt — oder sie wurde nie aufgegeben —, dass nichts so wertvoll ist wie ein solides und abgerundetes BWL-Studium.
Was damals im Grundstudium der Diplomausbildung vermittelt wurde, findet heute im Bachelorstudium statt, wobei aber oft die Möglichkeit gegeben wird, sich in diesem Studium zusätzlich Spezialkenntnisse anzueignen. Für diese Variante kann die TH Karlsruhe als Beispiel dienen, bei der man nach dem zweisemestrigen Grundstudium — man behielt dort bewusst die alte Bezeichnung vom Diplomstudium bei — noch zwischen mehreren Spezialisierungen wählen kann. Die andere Variante ist, dass die Spezialisierung ins Masterstudium verlegt wird, womit Bachelor- und Masterstudium dem alten Grund- und Hauptstudium des Diplomstudiums entsprechen. Was diejenigen bestätigt, die diesen Vergleich gleich nach der Bologna-Reform anstellten.
Dass die abgerundete klassische BWL-Ausbildung heute wieder geschätzt, manchmal sogar regelrecht wiederentdeckt wird, bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass Spezialisierungen, die bereits im Bachelorstudium erfolgen, keinen Wert haben oder gar sinnlos sind.
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Vielmehr eröffnen sie die Möglichkeit, entlang der eigenen individuellen Bedürfnisse zu studieren, ohne sich in ein Korsett zwängen zu müssen, das nicht zu einem passt. So gibt es nicht wenige, die gleich zu Beginn des Studiums genau wissen, welchen beruflichen Weg sie später einschlagen wollen.
Da ist der 18-jährige Sohn des Inhabers einer Werbeagentur, der es gar nicht erwarten kann, ins Geschäft des Vaters einzusteigen. Früher hätte er eine Ausbildung zum Werbekaufmann durchlaufen, heute lässt er sich auf Wunsch des Vaters mit Müh’ und Not darauf ein, einen Bachelor in Marketing zu machen. Was soll er sich auch mit Logistik und Produktion befassen? Und ein Master wäre für ihn nur verlorene Zeit. Oder die 18-Jährige, die bereits als Schülerin in der Steuerberaterpraxis ihrer Mutter mitgeholfen und den Beruf lieben gelernt hat. Sie will schnell einen Steuer-Bachelor und das Steuerberaterexamen machen. Marketing, Organisationslehre und Personalwirtschaft interessieren sie nicht die Bohne.
Oder nehmen wir den IT-Nerd, den sogar ein IT-Studium langweilt, weil er schon als Zehnjähriger alle Computer auseinandernahm, denen er habhaft werden konnte, und sie wieder zusammenbaute. Er will möglichst schnell ein Unternehmen gründen, aber nicht erst ein BWL-Studium durchziehen. Nicht mal für einen Entrepreneur-Bachelor hat er Geduld. Was ihn nicht sehr von Leuten wie Steve Jobs, Bill Gates, Mark Zuckerberg oder Sam Altman unterscheidet, der auf die Frage, wo er bei seinem abgebrochenen Stanford-Studium am meisten gelernt hatte, trocken meinte: beim nächtlichen Poker-Spiel.
So gesehen haben alle Bachelor- und Masterstudiengänge ihre Berechtigung. Und man kann sich glücklich schätzen, dass es sie alle gibt und sie einem eine riesige Auswahl bescheren. Auch wenn die Wahl dadurch oft sehr mühsam werden kann. Doch besser eine zu große als eine zu kleine Auswahl.
Doch es gibt noch zwei Gesichtspunkte. Der Erste: Wer ohne klare berufliche Vorstellungen ins Studium geht, wo er eines Tages in dem kaum zu überblickenden heutigen Unternehmensuniversum einmal arbeiten möchte, sollte sich möglichst viele Türen offenhalten und sich erst festlegen, nachdem er die Nase mehrfach in den Wind gehalten hat. Und wo geht das besser als bei einem breitgefächerten BWL-Studium?
Der zweite Gesichtspunkt: Wer in der Business-Welt später hoch hinaus will, sollte sich als Generalist verstehen und empfehlen und sich nicht in frühen Jahren in einen Spezialisten-Silo setzen. In der heutigen Wirtschafts- und Unternehmenswelt sind immer mehr agile Allrounder gefragt, die in der Lage sind, sich schnell in immer neue Konstellationen und Probleme einzudenken, die bis vor kurzem noch keiner kannte. Das erfordert einen weiten Horizont, systemisches und interdisziplinäres Denken, das man sich schon im Studium zulegen sollte. Und wo gäbe es ein besseres Exerzierfeld dafür als der Reigen der vielen betriebswirtschaftlichen und benachbarten Fächer, der einen bereits in jungen Jahren fordert und auf Trab bringt. So gesehen ist es gut möglich, dass ein breites BWL-Studium der perfekte Karrierestart ist.
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