Cyberangriffe auf Unternehmen und die Infrastruktur von Staaten nehmen zu. Die Hochschulen haben reagiert und bieten immer mehr Studiengänge zu IT-Security.

Studienreport IT-Security

Ein brennendes Problem

Am 24. Februar 2022 begann der Ukrai­ne-Krieg mit dem Einmarsch rus­sischer Truppen, der von Raketenan­griffen flankiert wurde. Seither wehren sich die Ukrainer mit dem Mut der Ver­zweiflung gegen den völkerrechtswid­rigen Angriff. Die blanke Vernichtungs­wut und die schweren Kriegsverbre­chen der Russen — wie der gezielte Beschuss von Krankenhäusern und die Hinrichtung hunderter Zivilisten in But­scha — können sie aber nicht verhin­dern.

Eigentlich begann der Ukraine-Krieg jedoch schon viel früher. Schon seit 2014, verstärkt noch seit Frühjahr 2021, lancieren russische Hackergruppen Cyberangriffe gegen uk­rainische Ziele, schreibt Microsoft En­de April in einem Sicherheitsbericht zur Ukraine. Nach der Invasion Ende Fe­bruar nahmen die virtuellen Attacken demnach nochmals zu. Verantwortlich für diese Cyberangriffe sind laut Microsoft mindestens sechs Gruppen, die dem russischen Staat zugeordnet wer­den. Sie nennen sich unter anderem „Sandworm“ und „Snake“ und handeln im Auftrag der russischen Geheimdiens­te FSB, SWR und GRU.

So sollen die Stromausfälle in der Uk­raine von 2015 und 2016 auf das Konto von „Sandworm“ gehen. „Cozy Bear“ soll seit Mitte letzten Jahres versucht haben, in die Netzwerke mehrerer Na­to-Staaten einzudringen. Seit Beginn des russischen Einmarschs griffen die Hacker ukrainische Medienunterneh­men, Behörden, das Landwirtschafts­ministerium, Energieversorger, Logis­tik- und Telekommunikationsunterneh­men an.

Wegen der vielen Hackerangriffe rangiert IT-Security bei vielen Unternehmen ganz oben auf der Prioritätenliste. Wer hier seine berufliche Zukunft sieht, liegt mit dem Bachelorstudiengang „Datenschutz und IT-Sicherheit“ der Hochschule Ansbach genau richtig. Prof. Wolf Knüpffer sagt, was ihn auszeichnet. Weiter ...

Der Cyberwar ist also in vollem Gang. Und es wird zurückgehackt: So knöpfen sich Hacktivisten, etwa von der An­onymous-Gruppe, regelmäßig russi­sche Ziele vor, etwa Behörden, Ban­ken, Medien und Energiekonzerne. Die selbsternannte „IT Army of the Ukrai­ne“ versucht durch DDoS-Attacken (Dis­tributed Denial of Service), den Kriegs­verlauf zugunsten der Ukraine zu be­einflussen.

Der Cyberkrieg hat auch deutsche IT-Sicherheitsexperten alarmiert. So warnt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vor verstärk­ten IT-Angriffen aus dem Osten. Die Bedrohungslage für deutsche Unter­nehmen hat das Amt bereits Mitte Fe­bruar auf die zweithöchste Warnstufe Orange hochgesetzt. Das BSI rät vor allem den Betreibern kritischer Infra­strukturen, auf mögliche russische An­griffe vorbereitet zu sein und beispiels­weise Sicherungen aller relevanter Sys­teme anzulegen.

Nicht nur in Kriegszeiten ist die Sicher­heit von IT-Systemen ein Riesenthe­ma. In den letzten Jahren ist es immer größer geworden, weil die Hackeran­griffe und das Ausmaß der Cyberkri­minalität beträchtlich zunehmen. Bei der Telekom hat man genaue Zahlen dazu. So registriert die Sicherheitstochter des Konzerns, Telekom Security, rund 80 Mio. Angriffsversuche auf die Server des Konzerns — und zwar täglich. Vor sieben Jahren waren es „nur“ ein bis zwei Millionen pro Tag.

Als Hasso Plattner mit anderen SAP gründete, gab es kaum Cyberattacken. Heute sind sie alltäglich geworden. Kein Wunder, dass das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam den Masterstudiengang Cybersecurity anbietet. Mehr dazu im Interview mit Studiengangsleiter Prof. Christian Dörr. Weiter ...

Dass die Gefährdungslage immer grö­ßer wird, hängt auch damit zusammen, dass es immer neue Angriffspunkte gibt, die von den Hackern konsequent ausgenutzt werden. Man denke nur an das Internet of Things (IoT): Viele der vernetzten Geräte aller Art — vom in­telligenten Heizungsthermostaten über smarte Stromzähler bis zu vernetzten Produktionsanlagen — sind kaum ge­sichert. Auch das während der Coro­na-Pandemie weitverbreitete Homeof­fice war und ist eine offene Flanke, weil die Computer der Heimarbeiter meist nicht so geschützt sind wie die IT-Sys­teme ihrer Arbeitgeber, womit sie be­sonders beliebte Ziele sind. Von dort kann man — gewissermaßen durch die Hintertür — in die Firmenserver ein­dringen.

Besonders brisant wird es, wenn Ha­cker die kritische Infrastruktur eines Landes ins Visier nehmen, zu der etwa die Energie- und Wasserversorgung, Telekommunikationsnetze, Verkehrs­wege, das Finanzsystem und das Ge­sundheitswesen zählen. Cyberangriffe können hier immense Schäden anrich­ten und im Extremfall ein ganzes Land zum Stillstand bringen. Das muss seit mehreren Wochen der mittelamerika­nische Staat Costa Rica erleben, wo russische Hacker mit Ransomware fast die ganze staatliche Verwaltung lahm­legten. Mitte Mai war dann zu lesen, dass die Hackergruppe Conti, die hinter den Attacken steckt, sogar die Regie­rung stürzen will. Später hieß es, Conti würde sich auflösen. Einen kleinen Vor­geschmack darauf bot die Attacke auf eine wichtige Ölleitung im Osten der USA im vergangenen Jahr. Hacker hat­ten sie tagelang lahmgelegt.

Womit wir bei den Motiven der Cy­berschurken sind. Den meisten geht es ganz banal um Geld. Weitver­breitet ist — wie bei dem Cyberangriff auf Costa Rica und die Ölpipeline — Erpressungssoftware, die durch eine Sicherheitslücke in die IT-Systeme ge­schmuggelt wird, um dort wichtige Da­ten zu verschlüsseln und unbrauchbar zu machen. Für die Entschlüsselung fordern die Hacker ein Lösegeld. Selbst wenn der Erpresste zahlt und die Daten wieder brauchbar sind, schlagen die Erpresser öfters mal erneut zu. Sie dro­hen, die Daten, die sie vorher kopiert haben, im Internet zu veröffentlichen oder der Konkurrenz zuzuspielen. Um das zu verhindern, müssen die Erpress­ten erneut zahlen.

Eine weitere Masche ist „Data Breach“: Hacker stehlen Daten, um sie anschlie­ßend zu Geld zu machen. Etwa erbeu­tete E-Mail-Adressen oder Handy-Nummern, die dann für Phishing-SMS miss­braucht werden (Smishing). Auf diese Weise wird beispielsweise versucht, sorglose Empfänger auf Websites zu locken, wo die Zugangsdaten zu ihren Bankkonten oder andere sensible In­formationen gekapert werden.

Datendiebstahl steht oft im Zusammen­hang mit Wirtschaftsspionage: Unter­nehmen oder Staaten besorgen sich Informationen über Kunden, Produkt­designs, Vertriebswege oder Produk­tionspläne der Konkurrenz, die auch im Ausland sitzen kann, indem sie über das Internet in deren IT-Systeme ein­dringen.

Wie dringend das Thema IT-Security geworden ist, zeigt sich auch daran, dass die Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HDBW) in München und Bamberg ihren Voll- und Teilzeit-Masterstudiengang Cyber Security schon vor zwei Jahren vollständig auf digitale Unternehmenssicherheit ausgerichtet hat, erläutert Studiengangsleiterin Prof. Sabine Rathmayer. Weiter ...

Ein weiteres Motiv ist Sabotage. Hier ist die Bandbreite groß: Es können ver­antwortlungslose 15-Jährige sein, die Denial-of-Service-Angriffe gegen Ser­ver starten, um damit bei Gleichaltri­gen angeben zu können. Am anderen Ende des Spektrums stehen von Re­gierungen angeheuerte IT-Experten, die in die Systeme fremder Staaten ein­dringen, um dort Schäden anzurichten oder Daten zu stehlen — wie die rus­sischen Hacker in der Ukraine.

Wird versucht, auf demokratische Wah­len Einfluss zu nehmen, stecken meist Regierungen oder Geheimdienste au­toritärer Staaten dahinter. So soll unter anderem die mit dem russischen Ge­heimdienst verbundene Hackergruppe „Fancy Bear“ für die Manipulation der Präsidentschaftswahlen 2016 in den USA verantwortlich gewesen sein. Rus­sen sollen es auch gewesen sein, die beim Bundestags-Hack im Jahr 2015 in den Computer der Bundeskanzlerin eingedrungen sind und die Rechner von Abgeordneten mit Malware infizierten.

Durch den technologischen Fortschritt, die zunehmende Vernetzung und Di­gitalisierung ergeben sich immer mehr Gelegenheiten für Schurken aller Art, in IT-Systeme einzudringen. Zugleich nimmt der Bedarf an Fachleuten dras­tisch zu, die sich mit IT-Security aus­kennen und Systeme und Daten schüt­zen können. Eine gute Nachricht für alle, die hier beruflich arbeiten wollen.

Im malerischen Stralsund an der Ostsee wird viel für die IT-Sicherheit getan: Wer den Bachelorstudiengang „IT-Sicherheit und Mobile Systeme“ wählt, hat danach beste Berufsaussichten, meint Prof. Christian Bunse. Weiter ...

Die Hochschulen haben mittlerweile auf den steigenden Bedarf reagiert und bie­ten immer mehr Studiengänge an, die aus einem einen IT-Security-Spezialis­ten machen. So findet man an der Uni­versität Bochum gleich einen Bache­lor- und drei Masterstudiengänge zur IT-Sicherheit. Beim Bachelor geht es um Hardware und Software, man befasst sich mit Elektrotechnik, Rechnerarchi­tektur und mit Programmierung, Kryp­tografie und Netzsicherheit. Bei den Masterstudiengängen absolviert man ein einsemestriges Praktikum zu The­men wie „Machine Learning and Se­curity“ oder „Schwachstellenanalyse“. Eine Besonderheit ist der Master „Ap­plied IT Security“, der berufsbegleitend als Fernstudium angeboten wird.

Die IU Internationale Hochschule in Erfurt hat mehrere Studiengänge rund um die Sicherheit der Informati­onstechnologie im Angebot: das Ba­chelorstudium Cyber Security und die Masterstudiengänge Cyber Security und Cyber Security Management, der auf Englisch unterrichtet wird. Alle Pro­gramme können berufsbegleitend als Fernstudium absolviert werden.

Der Master in IT-Sicherheit der FH We­del richtet sich an Informatiker, die sich in diese Richtung spezialisieren wol­len. Die Hochschule Albstadt-Sigma­ringen führt den Bachelorstudiengang IT Security durch, und an der Hoch­schule Offenburg kann man einen Ba­chelor in Unternehmens- und IT-Si­cherheit und — komplett auf Englisch — einen Master in Enterprise and IT Security machen.

Auch die Universität des Saarlandes hat etwas zu bieten. Je einen Bachelor und einen Master in Cybersecurity. Bei­de Studiengänge werden auf Englisch unterrichtet. Die Uni — die Einzige im Saarland — ist bekannt für ihre gute Informatik-Ausbildung und für ihre For­schung. Im dortigen Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit wird inten­siv auf dem Gebiet der Cybersicherheit geforscht.

Der Bachelorstudiengang Datenschutz und IT-Sicherheit der Hochschule Ans­bach ist stark praxisorientiert und an den Bedürfnissen der Wirtschaft aus­gerichtet. Neben IT-Sicherheit und tech­nischem Datenschutz steht auch der rechtliche und organisatorische Da­tenschutz im Mittelpunkt der Ausbil­dung.

Zu den kleineren, aber feinen Univer­sitätsstädten gehört Darmstadt. Die dortige TU ist bekannt für ihre gute In­formatik-Ausbildung und bietet meh­rere IT-Studiengänge an. Dazu zählt der Master in IT-Sicherheit. Die Stu­dierenden befassen sich unter ande­rem mit Embedded System Security und Kryptografie.

Ebenfalls in Darmstadt beheimatet ist die Wilhelm Büchner Hochschule. Sie bietet mehrere Studiengänge zur In­formatik an, darunter das Bachelor-Programm IT-Sicherheit. Zudem kann man einen „Nano Degree“-Kurs zum Thema IT-Security belegen: In einem zwei Monate dauernden Fernstudium wird Grundlagenwissen zum IT-Sicher­heits-Management vermittelt.

Einen etwas anderen Weg geht die TU München, an der seit einigen Jahren das Fraunhofer-Institut für angewand­te und integrierte Sicherheit beheima­tet ist, das sich mit Cybersicherheit be­fasst. Die TU — eine der Exzellenz-Unis — bietet keinen gesonderten Studien­gang zur IT-Security an, allerdings kann man sich im Masterstudium Informatik darauf spezialisieren.

Deutschland hat bei der IT-Securi­ty-Forschung und -Ausbildung in­ternational in den letzten Jahren kräftig aufgeholt, auch wenn Länder wie die USA, Großbritannien, Israel und wahr­scheinlich auch China immer noch einen Vorsprung haben. Eine erfreuliche Ent­wicklung, denn die Zukunft wird auch im Cyberspace entschieden. Weder werden künftig die Cyberattacken nach­lassen, noch werden die gegenwär­tigen Cyberwars die Einzigen bleiben. Sie könnten erst der Anfang sein.

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