Ghostwriting

Wenn die Bewerbung fremdgeht

Die letzten Klausuren sind geschrieben, die Abschlussarbeit ist fast fertig — höchste Zeit, das Thema Bewerbung anzupacken. So mancher hat schon sehr konkrete Vorstellungen von seinem Traumjob und ist sich auch sicher, dass er das Zeug dazu hat. Doch die Anforderungen der Unternehmen sind hoch. Ebenso wie die Zahl der Mitbewerber, mit denen man es zu tun haben wird. Wie soll man es bloß anstellen, dass die eigene Bewerbung nicht zu den ersten gehört, die von den Personalern aussortiert wird?

Bewerbungsbücher bieten Rat. Ihre Zahl ist fast unüberschaubar. Doch vielen reicht diese Hilfe nicht. Sie recherchieren auf eigene Faust im Internet, lassen sich von Profis beraten, wie man eine gute Bewerbung verfasst, oder nehmen an Coachings teil, die detaillierte Potenzial- bzw. Stärken-/Schwächenanalysen bieten und wo Tipps für die Selbstvermarktung gegeben werden.

Andere gehen noch weiter und lassen ihre Bewerbung gleich von einem anonymen Ghostwriter verfassen. Inzwischen gibt es viele Agenturen, die einen solchen Service anbieten. Der Preis für das Komplettpaket aus Deckblatt, Anschreiben und Lebenslauf liegt zwischen 50 und mehreren hundert Euro. Natürlich werben alle Anbieter damit, dass ihre erstellten Profile höchst individuell sind und die Chancen, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, deutlich verbessern.

Zu ihren Kunden zählen nicht nur Berufsanfänger, die unsicher sind, was ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt betrifft. Auch ältere Arbeitnehmer, die sich für eine neue Stelle bewerben, aber seit Jahren oder gar Jahrzehnten keine Bewerbung abgeschickt haben, nehmen ihre Hilfe in Anspruch.

Keine Frage: Wer Gewissheit haben will, dass seine Bewerbung ohne Rechtschreib- und Grammatikfehler daherkommt und auch allen sonstigen formalen Kriterien an ein Bewerbungsschreiben genügt, ist mit einem Ghostwriter auf der sicheren Seite. Die meisten haben langjährige Erfahrungen im Abfassen von Texten. Einige haben früher sogar selber als Recruiter oder Personalberater gearbeitet.

Was das „Tunen“ der Bewerbung anbelangt — sprich die Verwandlung einer durchschnittlichen Bewerbungsmappe in eine Hochglanzbroschüre —, scheiden sich hingegen die Geister. Während die einen keinen Makel darin sehen, wenn Lebenslauf und Anschreiben von fremder Hand verfasst und perfekt ausformuliert sind — schließlich nehmen selbst prominente Politiker die Hilfe von Ghostwritern in Anspruch und auch Firmen nutzen die Dienste von PR-Agenturen, wenn sie ihr Image aufpolieren wollen —, rümpfen andere über solche Bewerbungen die Nase. Schließlich sei die Bewerbung die erste Arbeitsprobe eines Bewerbers, mit der sich das Unternehmen einen ersten Eindruck von ihm verschaffen will. Dieser werde jedoch verfälscht, wenn der Text nicht aus seiner, sondern aus der Feder eines anderen stamme.

Da ist zweifellos etwas dran. Die Befürworter fremdverfasster Bewerbungen kontern, dass Schreibtalent und Formulierungskunst in den meisten Fällen nicht zu den erwünschten Kernkompetenzen gehörten, womit der Täuschungsvorwurf ins Leere laufe. Solange keine Daten und Fakten gefälscht würden, könne daher von Irreführung oder gar Betrug keine Rede sein.

Außerdem sei die schriftliche Bewerbung ohnehin nur der Auftakt im Bewerbungsprozess. Ob jemand einen Job bekomme oder nicht, entscheide sich frühestens nach dem ersten Vorstellungsgespräch, häufig sogar erst nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren, mit einem Assessment Center als krönendem Abschluss. Und da könne kein Ghostwriter helfen.

Doch warum soll man dann überhaupt seine Bewerbung von einem Ghostwriter schreiben lassen? „Ich treffe manchmal den Kern einer Bewerbung besser als der Bewerber selbst“, meint einer. Schon möglich: Einige dieser Helfer verfügen aufgrund ihrer Erfahrungen über gute Menschenkenntnisse, weshalb sie manchen Bewerber besser einschätzen können als er sich selbst.

Doch das trifft bei weitem nicht immer zu. Zumal die Ghostwriter meist kein ausführliches Gespräch mit ihren Kunden führen, sondern sich mit Lebenslauf und Stellenanzeige als Grundlage für ihre Arbeit begnügen.

Die meisten Experten raten deshalb davon ab, mit der Bewerbung fremdzugehen. Es sei „teuer und kontraproduktiv, einen Werbeheini zu beauftragen, der Ihnen eine Persönlichkeit aufstülpt, die nur mit ihm selbst, aber nichts mit Ihnen zu tun hat“, meint etwa die Buchautorin und Bewerbungsexpertin Svenja Hofert. Auch andere Bewerbungsprofis heben den individuellen Charakter der schriftlichen Bewerbung hervor, die wie ein persönlicher Fingerabdruck sei. Außerdem gehe man mit mehr Selbstvertrauen ins Vorstellungsgespräch, wenn man seine Bewerbung selber verfasst habe.

Also: Besser, man vertraut auf die eigenen Formulierungskünste.

© wisu1213/1512

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