Hochschulen entdecken ihre Alumni

Die Schulden- und Wirtschaftskrise in Europa zwingt nicht nur die Regierungen zum Sparen und lässt Millionen — vor allem im Süden des Kontinents — um ihren Arbeitsplatz zittern. Sie hat längst auch die Hochschulen erreicht. Laut einer Studie der European University Association (EUA) hat über die Hälfte der europäischen Staaten ihren Hochschulen in den letzten vier Jahren die Mittel gekürzt. Berücksichtigt man die Inflation, gingen die Zuwendungen sogar in zwei Drittel der Länder zurück.

Besonders heftig fallen die Kürzungen — wen wundert es — in den südlichen Krisenstaaten aus. So haben Spanien und Italien die Hochschulförderung seit 2008 um zehn Prozent heruntergefahren, in Portugal gab man zehn Prozent und in Griechenland sogar 30 Prozent weniger dafür aus. Aber auch in Osteuropa regiert der Rotstift. In Lettland wurden die öffentlichen Fördermittel um 57 Prozent und in Litauen um 26 Prozent zusammengestrichen. In Ungarn gingen die staatlichen Zuwendungen pro Jahr um fünf Prozent zurück.

Da die meisten europäischen Hochschulen auf öffentliche Gelder angewiesen sind — im Durchschnitt machen sie 75 Prozent des Budgets aus —, wiegen die Kürzungen doppelt schwer. Viele müssen deshalb beim Personal sparen und können weniger Geld für die Forschung und die Ausstattung der Büros ausgeben. Die Folge sind überfüllte Seminare, geschlossene Bibliotheken und veraltete Technik.

Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so entdecken jetzt immer mehr Hochschulen ihre ehemaligen Studenten als zusätzliche Einnahmequelle. Die Spenden der Alumni sollen — neben höheren Studiengebühren und der stärkeren Einwerbung von Drittmitteln — die Löcher stopfen, die die Krise in die Etats der Hochschulen gerissen hat.

Das Problem: In fast allen europäischen Ländern fehlt es — anders als beispielsweise in den USA — an einer entsprechenden Alumni-Kultur. Kein Wunder: Wer gewohnt ist, dass das Geld vom Staat kommt, sieht keine Notwendigkeit darin, den Kontakt zu den Ehemaligen als potenziellen Wohltätern aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Schließlich werden dadurch wertvolle personelle Kapazitäten der Hochschule gebunden. Resultat: Gerade mal vier Prozent der Mittel, die den Hochschulen in Europa zur Verfügung stehen, sind Spendengelder. In den USA, wo nicht wenige Hochschulen über große Fundraising-Abteilungen verfügen, liegt der Anteil aus Spenden und Stiftungserträgen zwischen zehn und 30 Prozent.

Doch nun, da viele den Gürtel enger schnallen müssen, beginnt den Hochschulen zu dämmern, dass hier eine wertvolle Ressource brachliegt. „Früher galten Alumni-Beziehungen als ,nice thing to have‘ — als etwas, das man nicht unbedingt haben musste“, meint Kate Hunter vom Council for Advancement and Support of Education (CASE), einer Nonprofit-Organisation, die weltweit Hochschulen berät. „Inzwischen hat hier ein fundamentales Umdenken eingesetzt.“

Das konnte man etwa bei der letztjährigen europäischen CASE-Konferenz in Manchester beobachten, bei der reger Andrang herrschte. Viele Delegierte europäischer Hochschulen informierten sich bei ihren britischen und amerikanischen Kollegen über professionelles Fundraising und den Aufbau entsprechender Hochschulstrukturen. Anhand erfolgreicher Beispiele aus Ländern wie Dänemark und Ungarn wurden erste wichtige Schritte erläutert.

Eine zentrale Botschaft der CASE-Konferenz war, dass Alumni-Beziehungen nicht von heute auf morgen entstehen und — neben Zeit — vor allem viel Engagement brauchen. Sollen aus Ehemaligen großzügige Spender werden, muss man sich intensiv um sie kümmern. Wozu auch gehört, ihnen die persönlichen und beruflichen Vorteile von Alumni-Organisationen und -Netzwerken deutlich zu machen.

Dabei helfen soziale Medien wie Facebook, Twitter und LinkedIn, mit denen sich erste Kontakte herstellen lassen. Hilfreich sind auch Newsletter, die regelmäßig über Berufsmöglichkeiten informieren, und eine eigene Alumni-Website. Später muss es dann darum gehen, den Career Service, den viele Hochschulen ihren Studenten bieten, auf die Ehemaligen auszudehnen und wenn möglich weiter auszubauen. Denn Alumni erwarten von ihrer Hochschule vor allem professionelle berufliche Unterstützung, wozu auch Weiterbildungsangebote gehören.

Diese Erfahrung hat man auch an der Barcelona School of Management gemacht, die ihren Absolventen deshalb demnächst kostenlose Online-Kurse anbietet, bei denen Karrierethemen im Mittelpunkt stehen. Der Hochschule geht es dabei allerdings nicht nur um ein höheres Spendenaufkommen, wie Raquel Villero Pi vom Alumni und Career Service betont: „Die Alumni sind die Repräsentanten unserer Hochschule in der Gesellschaft. Sie verschaffen uns Prestige und neue Studenten.“

In Barcelona und anderswo ist man sich bewusst, dass es Jahre dauern wird, bis die Spendengelder ähnlich reichlich fließen wie in den USA. Es wird also einiges an Geduld und Beharrlichkeit nötig sein.

© wisu1113/1382

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